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Umwelterziehung, Umweltpädagogik, Umweltbildung






INHALT

Themen, Arbeitsvorschläge, Unterrichtsmaterialien
Themenbereich "Erneuerbare Energien", aufbereitet für die Grundschule
Themenbereich "Nachhaltigkeit", aufbereitet für Oberstufe und Hochschule







THEMEN, ARBEITSVORSCHLÄGE, UNTERRICHTSMATERIALIEN  

Ich behandle hier zunächst grundlegend einige allgemeine Umweltthemen für den Unterricht bei Kindern und Jugendlichen, stelle Informationen dazu vor und Materialien/Experimente, mit denen ich selbst schon gearbeitet habe.


 


BIODIVERSITÄT

Biodiversität ist ein Thema, das mit Kleinkindern schon früh bearbeitet werden kann und das auch lange vor der Erfindung des Begriffs gerne vorzugsweise von Großeltern oder pfadfindergeschulten Vätern bearbeitet wurde - etwa beim Waldspaziergang, mit Fragen wie "Kennst du diesen Baum?" oder "Was für eine Pflanze ist das?". Kleine Mädchen haben auf den Wiesen Blumensträuße gesammelt und wenn es gut ging, konnten die Eltern davon etwas mehr benennen als Gänseblümchen und Löwenzahn. Inzwischen ergeben sich auf den meisten konventionellen Wiesen wenige Bestimmungsprobleme für Kinder und ihre Begleiter, da die Artenvielfalt drastisch zurückgegangen ist.

Die kundigen Großeltern zur Pflanzenbestimmung sind heute durch Apps ersetzt, aber das Phänomen Biodiversität lässt sich über das bloße Benennen und Aufzählen von Pflanzennamen kaum angemessen didaktisch vermitteln, auch wenn es natürlich wichtig ist, Kindern auch über die unterschiedlichen Namen den Blick zu schärfen für die Vielfalt, die uns selbst in der Stadt (häufig schon: gerade in der Stadt) im Pflanzenbereich umgibt - wenn wir nicht nur auf Blüten und bei den Blüten nicht nur auf die augenfälligen achten.

Daher empfehle ich eine die Bestimmung ergänzende Herangehensweise mit im weitesten Sinne "ästhetischen" Fragestellungen. Etwa: Verschiedene Blattformen sammeln oder verschiedene Blütenfarben. Wer eine bestimmte Anzahl zusammen hat, darf sich ein Sammelbildchen oder ein Bonbon nehmen oder anderen Kindern beim Sammeln helfen. Etwas aufwendiger ist das Spiel "Palette": Die Kinder bekommen eine Malerpalette aus Karton mit vorgegebenen Farbfeldern auf Beidseitklebeband, zu denen sie ein farblich passendes Naturmaterial suchen sollen und aufkleben. Wer die Palette voll hat ....

Im engeren Sinne ästhetisch setzen die folgenden Aufgaben an:

Visitenkarte/Selbstportrait - Kinder wählen sich aus farbigen Kartons einen aus für die Gestaltung ihres Selbstportraits. Die Aufgabe ist nun, Pflanzen und andere Naturmaterialien zu sammeln (auf einer Wiese, im Park, auf dem Spielplatz, im Wald), die dem Kind gefallen, und aus diesen Materialien ein Bild zu kleben mit dem Titel "Das bin ich". Arbeitsmaterial: Farbige Kartons - mindestens Din A5. Kleber. Eventuell Scheren.

Menschengesicht - Giuseppe Arcimboldo war ein Künstler des Manierismus. Er wurde vermutlich 1526 in Mailand geboren, wo er 1593 starb. Uns ist er vor allem bekannt als Maler von Menschenköpfen, die aus pflanzlichen Motiven zusammengesetzt sind.

Tier - Für jüngere Kinder sind Menschenköpfe als Thema noch uninteressant. Mit ihnen ist das Bildthema "Tier" sinnvoller.

Frottage - Mit älteren Kindern lässt sich dieses in der modernen Kunst zu höchsten Weihen gelangte Verfahren gut einsetzen. Max Ernst begann 1925 in seiner "Histoire naturelle" damit, die Oberflächenstruktur von Naturgegenstände mit dem Bleistift auf Papier abzunehmen. Bei Kindern ist die Frottage beliebt zum Abreiben von Münzen. Holzstrukturen, aber auch die Umrisse und Äderungen von Blättern lassen sich mit der Frottage gut erfassen und zu Bildwerken collagieren.

Vor allem in ländlichen Regionen machen sich Kinder auch heute noch gelegentlich kleine Terrarien, in die sie z.B. Frösche setzen. Versuchen wir es doch einmal mit sich selbst gestaltenden Terrarien. Dazu genügt der schon immer gern von Kindern genutzte Schuhkarton, den wir mit einer Plastiktüte oder stabileren Plastikfolie auskleiden. Darauf kommt eine Schicht Erde mit , Moospolster, ein Stück angerottetes Holz etc. pp.. An einer Längsseite schneiden wir den Karton mit etwa 5 Zentimeter Abstand dazwischen zweimal ein bis zur Erdoberfläche und klappen diesen 5-Zentimeter-Streifen nach unten zum Boden als Rampe etwa für Käfer. Und dann stellen wird das auf den Balkon, die Terrasse, in einen Kellerraum mit etwas Licht und schauen nach einem Tag, einer Woche, einem Monat was sich dort angesiedelt hat.

Interessant ist auch, sofern ein Garten oder Rasen beim Haus (Kindergarten, Schule) zur Verfügung steht, ein Stück "Freiland" von ca. einem Quadratmeter zu markieren und eine bestimmte Zeit lang nicht mehr zu pflegen. Was dann beobachtet werden kann, ist die Entfaltung von Biodiversität nach einer durch spezifische Pflege erzielten Reduktion. Auch das Thema "Sukzession" kann damit angesprochen werden.




Arcimboldo Gemüsehändler



BIOGAS I: Bakterien/Archaeen

Biogas besteht überwiegend aus Methan/CH4 (40-75%) und Kohlendioxid/CO2 (25-55%). Es entsteht bei der Vergärung/Zersetzung organischer Materialien. Methan entsteht dabei erst in einer fortgeschrittenen Phase durch methanbildende Bakterien - Phase 1: Hydrolyse, Phase 2: Acidogenese, Phase 3: Acetogenese, Phase 4: Methanogenese. Methan wurde 1776 durch Alessandro Volta aus dem Uferschlamm des Lago Maggiore eingefangen in einer Glasflasche. In der "Volta-Pistole" brachte der Physiker zuhause in seinem Labor das Gas mit einem elektrischen Funken zur Explosion (explosionsartige Verbrennung). Auf Youtube gibt es einige brauchbare Clips zur Volta-Pistole.

Biogas entsteht in großen Mengen in den Mägen von Wiederkäuern und in den Därmen anderer Tiere, auch im Darm des Menschen. Der Pennälerscherz, einen Furz mit dem Feuerzeug abzufackeln, lebt davon. Die Gasbildung aus den Tierhaltungen zur Fleisch-, Milch- und Eierproduktion trägt zu etwa 20% zum aktuellen Klimaeffekt bei. Dazu kommen weitere 30% durch Waldrodungen für Weideflächen und Futteranbau.

Naturgemäß sind Experimente zur Methanbildung mit Geruchsentwicklungen verbunden. Methan selbst ist zwar geruchsfrei, doch die Zerfallsprozesse, bei denen Methan entsteht, erzeugen auch andere Gase, von denen einige eher unangenehm riechen (insbesondere Schwefelwasserstoff - H2S). Der folgende Vorschlag eines Biogas-Kochers zur Veranschaulichung sollte daher und auch des offenen Feuers wegen nicht in geschlossenen Räumen umgesetzt werden:

Ein druckfester Behälter, 30 Liter Volumen, zu einem Drittel gefüllt mit Grasschnitt (500 Gramm), verrottetem Gras/Laub (500 Gramm), Wasser (nicht voll bedeckend!) und einem Kuhfladen oder Faulschlamm (500 Gramm) aus einem Teich/Randbereich eines Sees als "Starter" (= Lieferant von Methanbildnern/Archaeen/Methanogenen). Ein Manometer, ein Überdruckventil (vor Vorführungen auf 2 bar eingestellt, während der Vorführung geschlossen) und ein Ventilgaskocheranschluss (aus einem Adapter oder einer leeren Ventilgaskartusche) - alle drei im Deckel druckfest und auswurfsicher (durch große Unterlegscheiben etc.) montiert. Ein Gaskocher - Modell Rucksackkocher für Ventilkartuschen.

Geduld und langer Atem bei der Vorbereitung der Präsentation wird benötigt. Die Verweildauer von Grasschnitt in Biogasfermentern beträgt bis zu 90 Tage. Ein zu hoher Anteil an frischem Gärmaterial kann zur Übersäuerung und Abtötung der methanbildenden Mikroorganismen führen. Enttäuschungen müssen bei diesen Basteleien einkalkuliert werden, denn auch mit hohem technischem Aufwand realisierte professionelle Biogasanlagen haben erhebliche Anlaufschwierigkeiten und kämpfen permanent mit Störungen.

Einige Hintergrundinformationen: Bierflaschen entlassen Druck ab 6 bar über den Kronkorken. Die üblichen Kleinkartuschen für Rucksackkocher sind auf einen Druck von maximal 15 Bar ausgelegt - weshalb sie nicht über 50 Grad erhitzt werden dürfen. Frisch aus dem Laden haben sie einen Dampfdruck von 2.8 bar bei 15  Grad (Primus Power Gas). Bei Biogasanlagen wird davon ausgegangen, dass Extensivgras pro Kilogramm Feuchtmasse ca. 87 Liter Methan erzeugt. Für Gaskartuschen ist Methan ungeeignet, da es unter Normaltemperaturen auch bei hohem Druck nicht flüssig wird (gespeichert wird es bei ca. 220 bar als Gas), während Butan bei 2 bar, Propan bei 10 bar unter Zimmertemperatur flüssig wird, wobei sich das Volumen erheblich reduziert. 1 kg Propan-Flüssiggas entsprechen ca. 550 Liter Gas. Für einen Methan-Kocher ergibt sich also das Problem des Gasspeichers bzw. des permanenten Nachschubs.

Wer eine kontinuierlich arbeitende Anlage bauen möchte, findet auf Youtube ein Video zu "How to Build a Methane Digester". Bei älteren Schülern oder Studienanfängern kann die Haus-Biogasanlage der Jenaer Gymnasiasten (Stand 2012) André Krause, Sebastian Wendt und Frank Kühmstedt besprochen werden (Biogas Journal 6/2012).




Biogaskocher



BIOGAS II: Verbrennung

Insbesondere bei der sauerstoffarmen Verbrennung/Verschwelung von Holz entsteht Methan. Nach den überraschenden Erkenntnissen zur Methanbildung im pflanzlichen Stoffwechsel (Forschungsgruppe um Frank Keppler - Heidelberg und Mainz, 2005/2014) könnte dabei zusätzlich auch bereits in den Zellen vorhandenes Methan freiwerden.

Anspruchsvolles Anschauungsmaterial für Kinder sind Kohlenmeiler in ihrer Umgebung - allerdings gibt es davon nicht mehr viele, einige sind jedoch detailliert im Internet dokumentiert, etwa der von Heimbach-Düttling oder der von Erfweiler (Youtube). Was im Kohlenmeiler geschieht, lässt sich jedoch auch an einem schlichten Holzgasofen, etwa dem Modell "Sampada" ("Waldgeist") aus Indien, demonstrieren. In geschlossenen Räumen ist das natürlich nicht möglich. Aber auch dort lassen sich zumindest der Ofen, sein Brennmaterial und das Brennergebnis Holzkohle zeigen. Mit dem Erzeugnis können die Kinder malen. Eine Dose mit Pflanzenkohletabletten kann für die Kinder den Stoff noch weiter interessant machen - denn Durchfall hatten alle schon mal.

Der Sampada funktioniert ähnlich wie ein Kohlemeiler, nur weit effektiver. Das entstehende Methan wird genutzt zum Kochen, statt es nur zur Verkohlung zu verbrennen oder in die Umluft entweichen zu lassen. Eine wichtige Information für die Kinder ist auch, dass die Flamme deswegen so groß ist, weil hier Gas verbrennt. Bei Holzkohle entsteht keine große Flamme, sondern vor allem Glutwärme. Gas verbrennt spektakulärer, Holzkohle liefert mehr Energie.




Sampada Holzgas-Ofen




ENERGIE

Was ist Energie? Wir wissen es nicht. Unser Sprechen von Energie arbeitet mit Analogien, Bildern, Ungenauigkeiten. Das "Philosophische Wörterbuch" bei Kröner/Stuttgart erklärt Energie zunächst mit Rückgriff auf das griechische "energeia", das von Aristoteles als "alles Kraftartige" bestimmt werde. Auch der dann zitierte physikalische Energiebegriff aus dem 19. Jahrhundert ist nicht wesentlich präziser. Nach diesem bezeichnet Energie eine "Fähigkeit", Bewegung zu erzeugen oder zu verändern.

Dass Energie "verbraucht" werde, wie wir gerne sagen, ist physikalisch genau genommen falsch, denn Energie wird nicht verbraucht, sondern lediglich transformiert. Dass Energie "gespeichert" werde bzw. "freigesetzt" ist gleichfalls irreführend, denn Energie wird lediglich jeweils anders gebunden - wobei manche Bindungen uns als "Speichern" erscheinen, andere als "Freisetzung". Pädagogen sollten sich gleichfalls über den Unterschied zwischen Energie und Energieträgern immer wieder Rechenschaft ablegen. Auch wenn diese Differenzierungen in der Regel Kindern nicht unmittelbar vermittelt werden können und in der Arbeit mit Älteren nicht immer zielführend sind, ist es hilfreich, sie im Hinterkopf präsent zu haben.

Um das Verständnis für "Energie" bei Kindern zu entwickeln, arbeite ich mit Fragen wie "Wovon bekommt ihr Energie?", "Wann habt ihr besonders viel Energie?", "Wann seid ihr ohne Energie?", "Was macht ihr, wenn ihr keine Energie mehr habt?". Kindern ist die psychische Energie näher als die für Erwachsene vordergründig bedeutsamere materielle Energie. Dort sind die Kinder abzuholen. Wenn sie keine physische Energie mehr haben, äußerst sich das bei ihnen noch unmittelbarer als bei Erwachsenen in Hunger. Vom Hunger kommen sie zu den Energieträgern für die menschliche Ernährung.

Hier kann den Kindern an einem Vergleich Zucker, Speiseöl, Apfel klar gemacht werden, was Energie in Lebensmitteln bedeutet. Ich lasse sie gerne tippen, was mehr Energie enthalte, drei Milliliter Olivenöl, drei Gramm Zucker (ein Zuckerwürfel) oder ein Schnitz Apfel (20 Gramm). Dann rechnen wir zusammen aus, wieviel vom jeweiligen Produkt ein Kind essen muss, um den Kalorienbedarf eines Tages zu decken. Die meisten wenden sich mit Grausen bei der Vorstellung, 166 Zuckerwürfel zu schlucken oder 230 ml Speiseöl zu trinken. Mit vier Kilogramm Äpfel können sich die meisten eher anfreunden.

Die Hinwendung zur Ernährung bei Tieren zeigt Kindern, mit welch schlichten Energielieferanten (Wiesen, Gras, Kräuter) ein hochkomplexes und leistungsfähiges Tier wie z.B. das Pferd oder die Kuh existieren kann. Die Verwendung von Gras durch Tiere einerseits, in Biogasanlagen andererseits führt Kinder zu Analogien in den energetischen Prozessen im Körper und in der (bio-)technischen Welt. Gerne werden auch in Schriften für Erwachsene NawaRo-Biogasanlagen mit Kuhmägen verglichen. Für die aktuellen Debatten um erneuerbare Energien führt diese Beschäftigung zu grundlegenden Einsichten.




Schokolade



ENERGIETRANSFORMATION

Spannend an Energie ist unter anderem, dass sie sich scheinbar beliebig transformieren lässt. Jede Energieform lässt sich mit geeigneten Apparaten oder Maschinen in eine andere Form überführen. Insbesondere ist elektrische Energie geeignet dazu, aus allen anderen Energieformen erzeugbar zu sein - Strom ist gleichsam das Geld auf dem Markt der Energien. Allerdings geht bei der Übertragung in elektrische Energie sehr viel Energie "verloren", was lediglich bedeutet: wird der menschlichen Nutzung entzogen, sofern nicht geeignete flankierende Maßnahmen ergriffen werden. Bei der Erzeugung von Strom aus der in Biogas gespeicherten Energie wird nur etwa 40% zu elektrischer Energie, der Rest wird als Wärmeenergie freigesetzt und geht häufig - der menschlichen Nutzung - verloren.

Es macht gewiss keinen Sinn, Kindern dies im Detail zu erklären. Wichtig ist es, ihnen zu vermitteln, dass aus einer Energie eine andere werden kann, aus Wärme Strom, aus Strom Bewegung, aus Bewegung Höhe/Gewicht, aus Höhe/Gewicht Spannung, aus Spannung Bewegung, aus Bewegung Wärme, aus Wärme Licht etc. pp. Die übliche Einteilung in mechanische, innere/physikalische und chemische Energie halte ich für wenig hilfreich im Bereich der Umweltpädagogik. Hier sind die Umwandlungs-/Transformationsphänomene interessant und die Auseinandersetzungen mit diesen hilfreich.

Energietransformation ist aktuell auch besonders wichtig für das Thema Energiespeicherung. Ein nachhaltiger Umgang mit Energie erfordert auch kluge Speicherung von Energie, die ansonsten ungenutzt verloren geht.

Als Anschauungsmaterial bietet sich eine Dampfmaschine an, die Wärmeenergie in Bewegungsenergie umsetzt. Dazu gibt es einmal die mechanischen Instrumente wie Hammer oder Schleifstein, die zeigen, welche Bedeutung Dampfmaschinen vor der Erfindung von Elektrizität und Verbrennungsmotor hatten. Dann lässt sich aber auch ein Generator/Dynamo anschließen, der Strom erzeugt. Der Strom könnte wiederum eine Heizspirale antreiben, die Wasser zum Kochen bringt. Damit wäre ein Transformationszirkel geschlossen. Allerdings verlässt dabei ein Großteil der Energie das System, weshalb wir kein Perpetuum mobile der Dampferzeugung bauen können.

Eine andere Kette lässt sich aus einem Solarmodul, das einen Ventilator antreibt, der ein Windrad antreibt, das Strom erzeugt, der eine Lampe zum Leuchten bringt, die ein Solarmodul mit Licht versorgt, bauen. Natürlich muss auch hier zum Kettenschluss Energie von außen mit dazu gegeben werden, da beträchtliche Energiemengen das System verlassen.




Dampfmaschine




EVOLUTION

Was hat Evolution mit Erneuerbaren Energien und Nachhaltigkeit zu tun? Umwelthistoriker haben darauf aufmerksam gemacht, dass das Zeitalter der Nutzung fossiler Energien einen verschwindend geringen Anteil in der Menschheitsentwicklung einnimmt, auch wenn wir nur den Bereich der kulturellen Evolution betrachten. Allerdings hat dieses Zeitalter drastische Auswirkungen auf die Evolution des Planeten insgesamt, ist bestimmt durch das Massenaussterben anderer Tierarten und durch massive Eingriffe in die Evolution der Pflanzenwelt. So schreibt Rolf Peter Sieferle (1949-2016) über das nach seiner Auffassung strukturell nicht-nachhaltige fossile Energiesystem, das für ihn einen - noch längst nicht abgeschlossenen - "Übergangsprozess", einen Ausnahmezustand darstellt: "Die Transformationsperiode ermöglicht durch den mit ihr verbundenen Überfluß an Energie und Stoffen eine tiefgreifende Umgestaltung der Biosphäre, bei der zahlreiche Organismen und Spezies auf der Strecke bleiben." ("Nachhaltigkeit in universalhistorischer Perspektive", 2003, S. 59).

Die Energiesysteme vor dem Industriezeitalter sieht Sieferle geprägt durch Solarenergiesysteme. Zunächst durch das eher passive der Jäger- und Sammlergesellschaften, dann durch das technisch modifizierte der Agrargesellschaften. Und für die Zukunft, die "Post-Transformationsgesellschaft",  erwartet der 2016 durch eigene Hand aus dem Leben geschiedene Umwelthistoriker in seinen Schriften die Etablierung eines neuen weltweiten Solarenergiesystems auf der Grundlage bewußt gestalteter Nachhaltigkeit. Sieferle verwendet dabei nicht den Begriff der Koevolution, seine Ausführungen zeigen jedoch in diese Richtung.

Der Übergang von fossilen Energien zu erneuerbaren Energien könnte eine neue Phase nachhaltiger Koevolution einleiten. Richard Norgaard hat das Konzept der Koevolution 1997 in den Umweltdiskurs eingeführt mit seiner Arbeit "A Coevolutionary Environmental Sociology". Koevolution bezeichnet zunächst in der Biologie die gemeinsame Entwicklung von Pflanzen und Bestäubern sowie von Pflanzen und Fressfeinden. Übertragen auf die Menschheitsgeschichte wird damit auch die Wechselbeziehung von Tierhaltung und menschlicher Gesellschaft sowie die züchterische Entwicklung von Nutztieren und Nutzpflanzen konzeptionell gefasst. Norgaard meint dann die Wechselbeziehung zwischen sozialen Systemen und Umweltsystemen und erwartet eine gesellschaftliche Weiterentwicklung durch einen gewandelten Umgang mit Natur und Umwelt.

Kritisch ist natürlich zu fragen, wer aktuell die Partner einer Koevolution sein könnten. Der Mensch mit der Restflora und -fauna, die er übergelassen hat? Der Mensch mit dem von ihnen produzierten Nutztieren und Nutzpflanzen? Realistisch scheint für die entwickelten Gesellschaften ein Modell zu sein, dass den Menschen zum Autor beider Seiten der künftigen Koevolution macht. Faktisch zeichnet sich jetzt schon ab, dass die entwickelten Gesellschaften qua Umwelt- und Naturschützer, qua Umweltadministration und Lebensqualitätsmanagement die andere Seite eines künftigen koevolutionären Prozesses voluntativ bestimmt.

Wenn Eltern ihren Kindern ein Tier als Spielgefährten schenken, bewegen sie sich letztlich in den Bahnen des koevolutionären Denkens. Hier liegen Anknüpfungspunkte für einen Unterricht, der evolutionäres und koevolutionäres Bewußtsein bei Kindern fördert, bei den Erfahrungen der Kinder mit ihren Tieren, aber auch bei Erfahrungen mit Zoobesuchen, Tierzirkus, Bauernhof, Streichelzoo. Förderliche Fragen in diesem Kontext sind etwa die, was das Haustier vom Kind, was das Kind vom Haustier gelernt habe. Unvergessen bleibt mir die Frage eines fünfjährigen Mädchens im Zoo: "Kann die Mama ein Affenbaby bekommen?"

Nachhaltiger Umgang mit den Naturressourcen bedeutet auch eine gleichsam kopernikanische Wende im menschheitlichen Selbstbewußtsein. Dass der Mensch die Krone der Schöpfung sei, ist obsolet geworden. Dazu muss man nicht die hohe Wahrscheinlichkeit intelligenten Lebens auf anderen Planeten bemühen. Es genügt, ein mehrfach behindertes Kind bei der Delphintherapie zu sehen. Wo menschliche Ärzte versagen, hilft ein Tier. Lenin hat auf die Bedeutung des Werkzeuggebrauchs und der Arbeit für die Entwicklung des Homo Sapiens hingewiesen. Die Bedeutung von Tieren in unserer Evolution ist nur rudimentär erforscht. Tiertotems könnten ein Hinweis darauf sein, dass wir auf älteren Kulturstufen noch ein ausgeprägtes Bewußtsein davon hatten - womit den gängigen ethnologischen Deutungen der Tiertotems nicht widersprochen sein soll. Die Tierbilder in Kinderzimmern sind mit dieser Deutung aber gewiss kompatibler als mit strukturalistischen oder tiefenpsychologischen Deutungen.




Koevolution Insekt und Blüte



NACHHALTIGKEIT


Eine Minimaldefinition von Nachhaltigkeit besagt, dass "die materiell-energetischen Austauschprozesse zwischen Gesellschaften und ihrer natürlichen Umwelt über einen längeren Zeitraum aufrecht erhalten werden können" (Helmut Haberl, Die Kolonisierung der Landschaft, 2001, S. 7). Der heute zumindest im Anspruch leitende "starke" Begriff von Nachhaltigkeit geht weiter und umfasst ökonomische, soziale sowie ökologische Belange gleichermaßen.

Die Erfahrungswelt der meisten Kinder ist - wie die der Erwachsenen - geprägt durch Nicht-Nachhaltigkeit. Kaputte Kleidung wird nicht repariert, sondern weggeworfen. Alle paar Jahre gibt es ein neues Handy/Smartphone. Angefaultes Gemüse wandert in die Biotonne - und das ist schon ein Höhepunkt der real existierenden Nachhaltigkeit in unserer Gesellschaft. Im Supermarkt gibt es ja genügend Nachschub. Und vielleicht wird bald eine Studie erscheinen, die nachweist, dass es keinesfalls nachhaltig sei, angefaultes oder welkes Gemüse/Obst zu putzen und die erhaltenen Resten dann in der Küche zu verwendet. Denn: So können Krankheiten transportiert werden, wir bekommen Verdauungsbeschwerden etc. und das alles kostet Ressourcen.

Wie also können wir Kinder unterstützen auf dem Weg zu einem eigenständig entwickelten kritischen Verständnis von Nachhaltigkeit? Die klassischen einschlägigen Schulthemen sind Mülltrennung, Energieverbrauch, Pausenbrot/Mittagessen und die schulische Solaranlage. Zunächst sollten wir uns von der Vorstellung verabschieden, das Leitbild der Nachhaltigkeit sei "überaus abstrakt und komplex", wie oft zu lesen ist. Das Leitbild der Nachhaltigkeit ist vollkommen schlicht und konkret. Schwierig wird es nur, wenn es um seine Umsetzung in oft widersprüchlichen Interessenlagen geht.

Natürlich hat der Hersteller von Geschirrspülmaschinen eine andere Vorstellung von nachhaltigem Umgang mit Wasser als eine ländliche Wohngemeinschaft, in der Geschirrspülen auch als soziales Lernfeld begriffen und das Spülwasser vielfältig genutzt und einem Schilfröhrich zugeführt wird. Gerade der Umgang mit Wasser ist ein gutes Beispiel, um Kindern zu zeigen, dass im Einzelfall nachhaltiges Handeln stark von Interessen und Kontexten abhängig ist. In einer Region, die über genügend Wassernachschub verfügt wie Deutschland muß auch die Rede vom "Wasserverbrauch" anders strukturiert sein als in ariden oder semiariden Regionen. Problematisch in Deutschland sind nicht primär der Verbrauch, sondern die Schadstoffbelastung von Wasser und die Behinderung der Grundwasserneubildung.

Die Leitfrage zur Entwicklung eines Bewußtseins von Nachhaltigkeit ist für mich nicht die nach "Einsparungen", sondern die, wie wir leben wollen und wie wir das erreichen, verwirklichen können. Aufklärung über die Konsequenzen unseres Handelns ist notwendiger als Einzelvorschriften. Und nie hatten wir bessere Hilfmittel zur Aufklärung als heute. Wir können die Plastikhalden auf dem Meer sehen, wir wissen von Plastikteilen in den Mägen von Fischen und Vögeln. Wir wissen aber auch, dass Plastik ein hervorragender Werkstoff ist. Daran ist gemeinsam mit Kindern zu arbeiten, etwa in Projekten zur Verwendung und Wiederverwendung von Plastik, zum Ersatz von Plastik, zu Managementplänen der Plastiksammlung und Wiederverwertung. Der Weg eines Plastikspielzeugs von der Fabrik in China bis zum Magen einer Möwe kann thematisch bearbeitet werden in verschiedenen Medien.




Plastikteile im Magen eines
                Seevogels



SONNENENERGIE


Sonnenenergie lässt sich zweifach heute energetisch nutzen. Zum einen wie seit Menschengedenken über schlichte Erwärmungsprozesse, etwa in Solarthermischen Kollektoren. Zum anderen photovoltaisch. Die heute vorrangig wichtige Nutzung von Sonnenenergie in der Photovoltaik kann nicht so unmittelbar anschaulich gemacht werden wie Wind- oder Wasserenergie. Selbst die Biomassevergasung ist einsichtiger zu demonstrieren, obgleich hier ähnlich verborgene Prozesse auf molekularer Ebene stattfinden müssen.

Daher empfiehlt sich bei Kindern ein Einstieg über die Solarthermie. Deren Funktionsprinzip ist einfach und kann angeknüpft werden etwa an die Funktion von Windkraftanlagen. Rasch gebaut und doch beeindruckend ist ein kleines Aufwindkraftwerk. Man formt eine etwa ein Meter hohe Röhre aus schwarzem Karton mit einem Durchmesser von ca. 12 Zentimetern. Unten schneidet man einige Kerben für die Luftzufuhr ein, oben setzt man eine runde Scheibe mit einem etwa 6 Zentimeter großen Loch auf. Über das Loch - die Öffnung für die aufsteigende Luft - setzt man ein Kerzenkarussell.

Um Kindern eine annähernde Vorstellung von dem zu vermitteln, was in Solarzellen passiert, kann eine Kartoffelbatterie gebaut werden. Anleitungen dazu gibt es im Internet. Ein fertiges Set mit Digitaluhr (die betrieben wird von der Kartoffelbatterie), Zink und Kupfer gibt es als "Kartoffeluhr" zu kaufen.

Anregende Spielzeuge zur Solarenergienutzung bietet die Firma Inpro Solar, 1981 in Bayern gegründet.




Aufwindkraftwerk




SUKZESSION

Sukzession bedeutet in der Ökologie die naturwüchsige Aufeinanderfolge unterschiedlicher Pflanzen- oder Tiergesellschaften an einem Standort. Sie kann etwa erlebbar werden durch ein Stück "Freiland", das im Schulgarten oder auf einem Rasenstück markiert und eine bestimmte Zeit lang nicht mehr gepflegt wird. Im Naturschutz benennt der Begriff auch die Verdrängung eines als schützenswert angesehenen Zustandes, wenn der Mensch nicht mehr eingreift. Sukzession zerstört z.B. hoch geschätzte Orchideenbestände, die historisch durch bestimmte Beweidungspraktiken mit Schafen auf Trockenrasen (die insgesamt dieser Beweidung ihre Existenz verdanken) entstanden sind. Sukzession findet also da statt, wo Menschen nicht (mehr) eingreifen.

Wie eine Welt ohne Menschen aussähe, ist in verschiedenen bildhaften Darstellungen, die auch im Internet zugänglich sind, anzuschauen. Jens-Christian Svenning und Søren Faurby von der Universität Aarhus haben 2015 eine Verbreitungskarte für Großsäuger publiziert, die zeigt, welche Fauna den Planeten ohne Auftreten des Menschen besiedeln würde. Auch in Dänemarkt würden, so die Überzeugung der Forscher, aktuell Elefanten leben. Geeignete Gesprächsanlässe mit Kindern zum Thema "Sukzession" bieten insbesondere Simulationen, die das Überwachsen von Siedlungsstrukturen und Verkehrsstrukturen nach einem fiktiven Verschwinden der Menschen zeigen. Wir finden dies etwa im Dokumentarfilm "Population Zero" (nach dem Buch von Alan Weisman von 2007) oder in der Dokumentarfilm-Serie "Zukunft ohne Menschen" von 2008. Zwei Extreme sollten vermieden werden, Idyllisierung ebenso wie Dramatisierung. Also zum einen "Wie schön doch die Welt ohne Menschen wäre", zum anderen "Nur noch Fressen und Gefressen werden, Ungeheuer und Krankheiten".

Die Bearbeitung des Themas Sukzession hilft Kindern, das Wechselspiel von Naturprozessen und kulturellen Eingriffen zu erfassen und einen Begriff von "Kulturlandschaft" zu entwickeln. Kindern ist einerseits zu vermitteln, dass in unserer Lebenswirklichkeit kaum mehr Naturräume ohne menschliche Eingriffe existieren, dass andererseits Sukzession überall neue "Wildnis" schafft. "Mehr Sukzession bitte" ist inzwischen zu einem - diskussionswürdigen - Slogan im Naturschutz geworden. Eine wenig aufwendige Möglichkeit, Sukzession für Kinder erlebbar zu machen, ist die Einrichung eines Stücks "Freiland" im Schulgarten oder auf einem Rasenstück des Schulgeländes: Ein Quadratmeter Boden, der von der Pflege ausgenommen wird für eine bestimmte Zeit, am besten im Jahreslauf.




Population Zero - Welt ohne
                Menschen




WASSERKRAFT

Wassermühlen kennen die Kinder in der Regel noch aus eigener Anschauung. Und wenn es dort, wo sie wohnen, keine Wassermühle zu besichtigen gibt, wird es in der Umgebung noch eine Mühlenstraße oder einen Mühlenweg geben, ein Mühlenviertel oder einen Gasthof "Zur alten Mühle". An einem Bach oder dem, was von diesem Bach übrig geblieben ist, bisweilen nur ein überdeckter Kanal. Und bei warmem Wetter kann man mit Kindern an einen Bach gehen, einen kleinen Mühlenkanal bauen und ein Wasserrad hineinstellen, dazu eignet sich auch ein kleines Windrad.

Die ersten Wasserkraftwerke waren Wasserschöpfräder zur Bewässerung der Felder in frühgeschichtlicher Zeit. Sie standen am Nil, am Indus, an Euphrat und Tigris und vermutlich auch in China. Getreidemühlen wurden in den Jahrhunderten um Christi Geburt an verschiedenen Orten der Welt entwickelt, dabei zunächst Mühlen mit "unterschlächtigen" Wasserrädern, die nur mit der Bewegungsenergie des Wassers arbeiteten. Später kam das "oberschlächtige" Wasserrad dazu, das auch mit der Schwerkraft arbeitet, die auf fallendes Wasser wirkt. 1842 entwickelte Benoît Fourneyron die erste taugliche Wasserturbine, 1866 Werner von Siemens den elektrodynamischen Generator.

Die meisten Kinder kennen einen Fahrraddynamo. Auch in Zeiten von Nabendynamos und batteriebetriebenen Fahrradbeleuchtungen ist das Prinzip noch bekannt: Da dreht sich etwas und dabei entsteht Strom, vereinfacht ausgedrückt. Die Abbildung zeigt ein Fahrrad, umfunktioniert zum Wasserkraftwerk mit ein wenig Bastelei, ein frühes EE-Projekt des Autors ;-). Am Vorderrad, wo der Dynamo sitzt, wurden Plastikstreifen zwischen jeweils zwei Speichen mit Klebeband befestigt. So entstand ein Flügelrad. Ein starker Ast dient als Halterung des Fahrrads, um das Vorderrad, an welchem der Dynamo sitzt, im Wasserstrom zu positionieren. Und schon ist ein schlichtes Wasserkraftwerk fertig. Nabendynamos haben zwar den Nachteil geringerer Anschaulichkeit - dafür funktionieren sie auch bei schwachem Wasserdruck.

Mit der Erfindung des elektrodynamischen Generators wurde es möglich, Wassermühlen auch zur Stromerzeugung zu nutzen. Gegenüber Windmühlen haben Wassermühlen den Vorzug, regelmäßig zu arbeiten (falls Frost nicht den Wasserlauf behindert). Zur Stromerzeugung wurden in der Regel nicht alte Wassermühlen mit offenen Rädern genutzt, sondern neue Anlagen mit Turbinen gebaut, die höhere Drehzahlen erreichen.

Historische Wasserräder zur Stromerzeugung zu nutzen, ist ein Thema der Energiewende. Einige Mühlenbesitzer haben ihre Getreidemühlen zu Stromerzeugern umgerüstet und beziehen Vergütungen nach dem Erneuerbare Energien Gesetz. Naturschützer und Denkmalschützer begleiten diese Entwicklung kritisch. Naturschützer insbesondere dort, wo alte Turbinenmühlen zum Einsatz kommen, in denen die Fische zerhackt werden, Denkmalschützer dort, wo die historischen Räder durch effiziente moderne Räder ersetzt werden.

Thematisiert werden sollte auch, was mit den Fischen und anderen Wasserlebewesen an Mühlen und in Mühlenkanälen passiert. Wo ein Wasserkraftwerk besichtigt wird, können auch Fischtreppen studiert werden.




Fahrrad als Wasserkraftwerk



WINDKRAFT

Kinder kennen und mögen Pusteblumen, Windräder, Papierdrachen. Wind ist für sie oft mit Spiel und Freizeit/Urlaub verbunden. Sie bewundern Segler und Windsurfer, Raubvögel und Krähen, Windmühlen und Segelflugzeuge. Anknüpfungspunkte für das Thema Windkraft gibt es also genügend.

Neben den persönlichen Erfahrungsbezügen lässt sich Windkraft auch sehr anschaulich und interessant historisch erörtern - wobei auch hier Erfahrungen der Kinder oft gegeben sind, die meisten kennen Windmühlen von Urlaubsreisen (Nordseeinseln, Holland, Spanien). Windkraft wurde historisch zunächst bei Wasserpumpen, dann für Getreidemühlen und schließlich auch zu sonstigen mechanischen Arbeiten verwendet. Wobei sich von Anbeginn das Problem der schwankenden Verfügbarkeit stellte - was zur parallelen Entwicklung der Wasserkraftnutzung führte bis hin zu Zwitteranlagen, die mit Wind und Wasserkraft betrieben werden konnten.

Umweltschutzkonflikte und politische Konflikte bei der Nutzung von Windkraft können etwa in fächerübergreifendem Unterricht angesprochen werden. Geschichte, Physik, Sozialkunde/Politik können sich hier zusammentun.

Als Material habe ich bei Kindern im  Grundschulalter stets kleine bunte Windräder dabei, von denen sie sich auch eines mitnehmen dürfen. Das schafft für sie einen Bezugsanker, ein Symbol für erneuerbare Energien, das mit ihrer unmittelbaren Erfahrungswelt verbunden ist. Windräder kann man selbst antreiben durch Pusten. Und man kann ausprobieren, in welchem Anpustwinkel das Rad sich am Schnellsten dreht, schon bei ganz leichtem Pusten dreht, mit teilweiser Abdeckung dreht etc. pp.

Es gibt auch - dank LED-Technik - kleine Windräder, bei denen sich mit Anpusten ein Lämpchen zum Leuchten bringen lässt. Das mir bekannte Modell von Inpro Solar (1981 in Bayern gegründet, die Firma bietet eine große Menge an Solar- und Windspielzeug, Stirling-Motorenmodellen etc.) kostet ca. 13 Euro.




Windrad











THEMENBEREICH "ERNEUERBARE ENERGIEN"  

Im Rahmen der "Kinder-Sommerakademie" der Stadt Bruchsal habe ich Seminare für die Altersgruppe 8-13 zum Themenbereich "Erneuerbare Energien" unter dem Titel "Überall Steckdosen" angeboten. Die nachfolgenden Informationen, Ideen und Materialien stammen weitgehend aus diesen Seminaren bzw. wurden dort von mir verwendet.


 


Als kindgerechten Einstieg in das Thema "Erneuerbare Energien" nutze ich Fragen wie "Wovon bekommt ihr Energie?", "Wann habt ihr besonders viel Energie?", "Wann fühlt ihr euch schwach, energielos?", "Was macht ihr, wenn ihr keine Energie mehr habt?". Daraus entwickeln sich Gespräche über den Unterschied von psychischer und materieller Energie, über verschiedene Energielieferanten auf der psychischen Ebene (Schlaf, Urlaub) bzw. auf der materiellen Ebene (Apfel, Schokolade, Döner etc. werden genannt).

Ausgehend von den Vorschlägen der Kinder zu Energielieferanten zeige ich den Kindern einen Zuckerwürfel (drei Gramm), eine entsprechende Menge von Olivenöl in einem kleinen Gläschen und ein Stück Apfel, das siebenmal so schwer ist (21 Gramm). Beim Abwiegen des Olivenöls kann ein Kind behilflich sein, so werden Messgeräte unmittelbar erfahrbar und das Bewußtsein dafür wird geschult, dass sich auch in geringen Mengen von Lebensmitteln bereits Energie verbirgt. Dann lasse ich die Kinder raten, in welchem Lebensmittel die meiste Energie steckt. Die Mehrheit tippt dabei in der Regel auf das Apfelstück, wegen seiner schieren Größe.

Die Auflösung lautet: Das Quantum Olivenöl. In drei Gramm Zucker stecken 12 kcal, in drei Milliliter Olivenöl 26 kcal und in 21 Gramm Apfel 10 kcal. Der durchschnittliche tägliche Energiebedarf von Kindern im Alter 7-9 Jahre beträgt 2000 kcal - das entspricht 166 Zuckerwürfeln, 230 ml Olivenöl oder 4 Kilogramm Äpfel. Es ist interessant für die Kinder, sich vorzustellen, sie müssten ihren Energiebedarf mit einem der drei Energielieferanten alleine stillen.

Olivenöl verwende ich, um auf die Bedeutung des Olivenöls als einer kulturgeschichtlich wichtigen Quelle für Lichtenergie (Öllampen) hinzuweisen - nachzulesen etwa in der Bibel im Gleichnis von den fünf klugen und den fünf törichten Jungfrauen.

Das Bild von den Pferden auf der Wiese zeigt Kindern, mit welch schlichtem Energielieferanten (Wiesen, Gras, Kräuter) ein hochkomplexes und leistungsfähiges Tier wie das Pferd existieren kann.

Wichtig: Die Beziehung Gras/Pflanzliches Material und Energie herausarbeiten. Innere Energie/Körperenergie-äußere Energie/Feuer. Die Beziehung Feuer-Wärme-Licht.


Bildquelle: Sauerland-Tourismus. Fotografin Tanja Evers.




Pferde auf Weide





Pferde auf der Wiese sind ein beliebtes Motiv bei Kindern und daher für einen emotional positiven bildlichen Einstieg gut geeignet. Zur kontrastierenden Ergänzung kann z.B. am Beispiel eines Holzwurms darauf hingewiesen werden, dass selbst Holz für manche Tiere ein begehrter Energielieferant ist. Dieser Hinweis macht besonders dann Sinn, wenn im weiteren Verlauf ein Schwerpunkt auf der Holznutzung liegt. Ekeläußerungen der Kinder sollte entspannt begegnet werden, etwa mit dem Hinweis, welch tolle Käfer aus Larven entstehen können, die von Holz leben, etwa der Hirschkäfer. Das Bild sollte aber nicht zu lange stehen bleiben, da es die Kinder sonst über Gebühr emotional belegt.

Die chemische Zusammensetzung von Holz zeigt ca. 50% Kohlenstoff, ca. 43% Sauerstoff, ca. 6%Wasserstoff und ca. 1% Stickstoff und Mineralien. Aus diesen chemischen Grundbausteinen sind folgende Bestandteile des Holzes aufgebaut: 40-60% Zellulosen, 15-35% Polylosen, 18-41% Lignin (bei Laubhölzern 18-25%, bei Nadelhölzern 28-41%). Dazu kommen als Nebenbestandteil Fette, Öle, Harze, Wachse, Eiweiße, Stärke, Zucker etc. pp. - wobei für holzfressende Larven vor allem der Eiweiß-, Stärke- und Zuckergehalt relevant ist. Zur Eiablage angezogen wird z.B. der Hausbock durch Duftstoffe im Holz, Öle und Harze. Er bevorzugt eher frisches Holz und dabei Nadelholz. Bei einer Holzfeuchtigkeit unter 8% geht die Larve zugrunde.

Wichtig: Holz liefert nicht nur Brennenergie für Feuer (äußere Energie), sondern kann auch ernähren (innere Energie).


Bildquelle: Umwelt-Bundesamt/Rasbak - Hylotrupes bajulus-Larve




Holzwurm





Holz wurde schon sehr früh gleichsam zum "Fossil" gemacht, seine Energiedichte erhöht durch Verkohlung in Kohlemeilern. Ab der frühen Eisenzeit wurde Holzkohle im Hüttenwesen verwendet. Bis ins 18. Jahrhundert erlaubten die Schmelztechniken keinen Einsatz fossiler Kohle. Zur Holzkohleherstellung dienten vor allem Birke, Eiche und Buche. Aus Torf wurde in holzarmen Zeiten, vor allem im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert auch Torfkohle hergestellt, allgemein kann aus pflanzlichem Material Biokohle hergestellt werden, die zum Heizen/Kochen/Schmelzen verwendet werden kann, aber auch bei Durchfallerkrankungen hilft.

Bei der Herstellung von Holzkohle im Kohlemeiler wird Energie in großem Maßstab verschwendet. Die entstehenden Gase, insbesondere Methan (CH4), Kohlenstoffmonoxid (CO) und molekularer Wasserstoff (H2) werden verbrannt oder entweichen - übrig bleibt die begehrte kohlenstoffreiche Holzkohle. Holzkohle verbrennt, da kaum mehr Gase gebildet werden, ohne Flamme und erreicht eine Temperatur von ca. 800 Grad. Daher wurde sie bei der Erzschmelze und zum Schmieden verwendet.

Zur Veranschaulichung zeige ich gerne karbonisierte Zweige aus dem Sampada-Kocher. Die Form des ursprünglichen Materials bleibt auch bei der Karbonisierung erhalten, was für Kinder sehr interessant ist.

Wichtig: Hier wird Holzkohle produziert, die später genutzt wird/verkauft.


Bildquelle: Panoramio, Fotograf Karl Eggenmüller - Modell Kohlemeiler Weilrod




Kohlemeiler





In den Anfangsjahren des Automobilbaus konkurrierten zwei Energiesysteme um den sich entwickelnden Markt. Neben den Flüssigtreibstoffen, die vergast wurden, setzte man zunächst auch auf Strom. Das erste über einen Akkumulator strombetriebene Automobil baute 1881 Gustave Trouvé. Allerdings konnten Elektromobile sich nie wirklich duchsetzen, nur Nischen besetzen in engen oder geschlossenenen Räumen, etwa im Jahrmarktsbereich als Autoscooter oder in Warenlagern als Gabelstabler etc.. Erst in jüngster Zeit werden sie als ernstzunehmende Alternative auch im Bereich der allgemeinen Mobilität behandelt.

Das erste Fahrzeug mit Verbrennungsmotor war das Hippomobile des Belgiers Étienne Lenoir von 1863, basierend auf seinem 1860 entwickelten Gasmotor. Sein Fahrzeug schaffte in drei Stunden 18 Kilometer und wurde mit einem  Treibstoff auf Terpentinbasis betrieben. Ihm folgten weitere ähnliche Entwicklungen, allerdings gilt erst der Benz Patent-Motorwagen Nummer 1 von 1886 als Beginn der automobilen Ära. Er fuhr mit Waschbenzin aus der Apotheke, einem Alkohol-Benzin-Gemisch mit der Bezeichnung Ligroin.

1922 baute Georges Imbert in Nordamerika das erste Holzvergaserauto, mit dem V8-Motor der Fordwerke als Antriebsaggregat. In den 30er Jahren kam es in Deutschland aufgrund des Krieges zur Treibstoffverknappung, weshalb in großem Umfang Pkw und Lkw auf Holzgasantrieb umgerüstet wurden. In der Sowjetunion wurden in den 30er und 40er Jahren vor allem Holzgas-Lkws produziert. Während des Zweiten Weltkrieges waren weltweit etwa 2 Millionen Holzgas-Fahrzeuge unterwegs.

Die Abbildung zeigt ein Holzvergaserauto (Adler-Diplomat von 1936) mit Karlsruher Kennzeichen. Sein Besitzer kaufte das Auto 1945 und legte bis 1952 damit etwa 90.000 Kilometer zurück. Erkennbar ist die fassartige Brennkammer zur Erzeugung des Gases, das dann über einen Schlauch nach vorne zum Motor geleitet wurde.

Im Kontext aktueller Energiedebatten wird der Holzgasantrieb erneut hervorgekramt. Auf Youtube findet sich ein Video zum Schweizer Daniel Hagen und seinem Opel Kadett Baujahr 1975, der mit Holzgas fährt (Spiegel TV 2015). 30 kg Holz auf 100 Kilometer verbraucht er. Sparsamere Fahrzeuge kommen mit 15 Kilogramm aus. Unter ökologischen Gesichtspunkten sind Holzgasautos allerdings höchst problematisch. Die Energieausbeute ist gering, die Abwärme kann nicht genutzt werden, es entstehen Feinstaub und andere Schadstoffe sowie eine erhebliche Geruchsbelästigung. Der Wartungsaufwand ist zudem enorm.

In Schaanwald/Liechtenstein gibt es in den Räumen der Firma Allemann ein Privatmuseum mit 70 Holzgas-Fahrzeugen - Motorräder, Pkw, Zugmaschinen. Und im Benz-Museum Ladenburg steht ein auf Holzgas umgerüsteter Mercedes Benz 170 V.

Wichtig: Hier wird das Holzgas genutzt, das überwiegend aus Methan und Kohlendioxid besteht.


Bildquelle: "Chemie in unserer Zeit" Heft 3/1980 - Holzvergaserauto Karlsruhe




Holzgasauto Karlsruhe





Holz liefert zwei wichtige Brennmaterialien, zum einen Holzgas, das mit starker Flamme verbrennt, zum anderen Holzkohle, die beim Brennen verglüht und hohe Temperaturen erzeugt. Beide Brennstoffe entstehen bei der Verschwelung von Holz unter geringer Luftzufuhr (Pyrolyse), Holzgas besteht überwiegend aus Kohlenmonoxid, Wasserstoff und Methan, Holzkohle überwiegend aus Kohlenstoff.

Beide Produkte verbindet der "Sampada" Holzgaskocher, der in Indien schon zahlreichen Haushalten das holzsparende Kochen ermöglicht und nebenbei die Erzeugung von Holzkohle, die an Schmiede/Goldschmiede verkauft oder zum Kochen genutzt werden kann. Für das Kochen mit Holzkohle gibt es eigene Kocher, im Sampada würde die Holzkohle verschwendet werden.

"Sampada" kann mit geringen Mengen Kleinholz, sonstigem getrocknetem Pflanzenmaterial, sogar mit getrocknetem Dung betrieben werden. Nach dem Kochen wird die verbliebene Glut gelöscht mit Wasser - und die Holzkohle ist fertig!

"Sampada" benennt im Sanskrit einen Waldgeist. Entwickelt und benannt wurde der Kocher von der Physikerin Priyadarshini Karve. Auch die Produktion und der Verkauf des Kochers bringt armen Menschen in Indien ein Einkommen. Frau Dr. Karve hat auch ein Kochsystem aus Kocher und Töpfern für das sparsame Kochen mit Holzkohle entwickelt, "Sarai".

Wichtig: Gas =  große Flamme, Holzkohle = Glut = größere Hitze. Hier wird das Holzgas zum Kochen genutzt und die Holzkohle dann verkauft für anspruchsvollere Anwendungen.


Bildquelle: Eigenes Foto - Sampada Holzgaskocher




Sampada Kocher Holzvergaser






Im Sampada Holzgaskocher wird Methan verbrannt, Methan aus dem Holz. Noch mehr Methan kommt aus dem Holz, wenn es im Wasser liegt und verfault. Man kann die Kinder hier aufmerksam machen auf die Luftblasen im Baggersee, die aufsteigen, wenn man durch schlammigen Untergrund dort geht. Das hat auch ein großer Wissenschaftler, Alessandro Volta, entdeckt. Volta kennen die Kinder vom "Volt", der Maßeinheit für die elektrische Spannung. Volta hat 1776 am Lago Maggiore im Schlamm rumgestochert und das Gas eingesammelt und hinterher zuhause herausgefunden, dass das brennt.

Das Methan wird erzeugt durch die methanbildenden Bakterien. Diese machen Methan nicht nur aus Holz, sondern auch aus Blättern, überhaupt Pflanzen, aus Tierfäkalien, Urin und aus toten Tieren. Daher entsteht auch im Misthaufen auf dem Bauernhof jede Menge Methan, das man verbrennen könnte. Aber das hat bei uns lange niemand genutzt, bis Anfang der 80er Jahre in Deutschland die ersten Gülle- und Mist-Biogasanlagen gebaut wurden.

In Indien hatte schon 1970 ein Wissenschaftler Toiletten gebaut, bei denen das Methan gesammelt wurde und zum Kochen und für die Beleuchtung verwendet. Er heißt Bindeshwar Pathak und arbeitet noch heute für seine Organisation "Sulabh" ("Ganz einfach"), die in Indien Toiletten für die Armen baut, in den Methan gesammelt wird. Auch viele andere Organisationen bauen solche Toiletten inzwischen auf der ganzen Welt. In Deutschland gibt es erste Projekte bei neuen Wohnanlagen in Bremen und Hamburg.

Wichtig: Gasproduktion aus dem billigsten, alltäglichsten Abfall.


Bildquelle: Andheri-Hilfe Bonn




Andheri Biogas Toilette





Was im Sumpf und im Schlamm von Seen passiert oder bei der Verrottung von Laub und Gras auf dem Komposthaufen (anknüpfbar an die Alltagserfahrungen von Kindern) wird in Biogasanlagen systematisch eingesetzt. Die meisten Kinder kennen inzwischen eine Biogasanlage aus eigener Anschauung. Auf dem Foto ist ein Fermenter und ein Maistransporter zu sehen.

Die den Kindern bekannte Biogasanlagen sind in der Regel Anlagen, die mit "NawaRos" arbeiten, mit Nachwachsenden Rohstoffen - zumeist Mais. Und oft wissen die Kinder auch, dass diese Anlagen von ausgedehnten Maisfeldern umgeben sind.

Mit fortschreitender Anlagentechnik sind inzwischen auch Biogasanlagen ökonomisch sinnvoll zu betreiben, die mit nachwachsenden Rohstoffen geringwertiger Art arbeiten können, mit Grasschnitt, Landschaftspflegeabfällen und ähnlichem. Allerdings entstehen in der Landwirtschaft nicht mehr viele pflanzliche Abfälle, die verwertet werden könnten, denn moderne Erntemaschinen trennen bereits auf dem Acker die Frucht von den übrigen Pflanzenteile. Und die Pflanzenteile, die der Bauer nicht ernten möchte, bleiben auf dem Acker zur Humusbildung - was ja durchaus sinnvoll ist.


Bildquelle: Eigenes Foto - Biogasanlage Langental bei Bruchsal


Biogasanlage





Organisches Material, woraus bei der Verrottung unter anderem Methan entsteht, findet sich auch auf Mülldeponien. Auch hier entsteht Methan spontan, ohne gezielten Eingriff des Menschen, ähnlich wie bei der Verrottung von Pflanzenmaterial im Wald, in Flüssen, Seen oder Sümpfen. Dabei handelt es sich um alte Deponien, denn seit 2005 dürfen organische Abfälle nicht mehr unbehandelt deponiert werden.

Deponiegas kann relativ problemlos gesammelt werden durch die Abdeckung von Deponien mit Planen. Der Geruchsbelästigung wegen ist eine Abdeckung ohnedies sinnvoll oder gar gesetzlich vorgeschrieben in der Nähe von Siedlungen. Das Gas wird dann über Rohrleitungen zu einem Blockheizkraftwerk geleitet und dort zur Strom- und Wärmeerzeugung verbrannt.

Im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) gehört Deponiegas gemeinsam mit Klärgas in eine eigene Vergütungskategorie. Benachbart ist Grubengas, das formal zwar den fossilen Energien zugeordnet ist, dessen Nutzung aus Klimaschutzgründen jedoch sinnvoll ist. Alle drei werden auch unter dem Kürzel DKG-Gase geführt.

1990 lagen die Methanemissionen aus Abfall und Abwasser noch etwa gleichauf mit denen aus der Landwirtschaft. 2014 sind die Emissionen aus der Landwirtschaft 3,2 mal höher! Dies ist weitgehend der Schließung von Deponien und der Biogasgewinnung auf Deponien und in Kläranlagen zu verdanken. Von 1990 bis 2014 sanken die Methanemissionen in Deutschland von 4,7 Millionen Tonnen/Jahr auf 2,2 Millionen Tonnen/Jahr. Der Methanausstoß aus Deponien hatte an diesem Rückgang einen Anteil von 1 Million Tonnen/Jahr.

Die Abbildung zeigt die Kreismülldeponie Karlsruhe, die 1972 auf dem Gelände der Mülldeponie Bruchsal eingerichtet wurde, die damals eine Fläche von 4,5 Hektar mit 200.000 Kubikmeter Abfall bedeckte. 1976 hatten sich Fläche und Abfallvolumen mehr als verdoppelt. 1996 wurden gegen die Geruchsbelästigungen erste Abdeckungen aufgebracht. 2005 wurde die Abfalldeponierung eingestellt, mit 26 Hektar Fläche für 4,3 Millionen Kubikmeter Abfall. Inzwischen ragte einer der beiden Müllberge, der "Nordberg", 40 Meter über das umliegende Geländeniveau. Das Deponiegas betreibt zwei Kraftwerke mit einer Gesamtnennleistung von 1088 kW.


Bildquelle: Eigenes Foto - Ehemalige Kreismülldeponie Karlsruhe bei Ubstadt-Weiher




Mülldeponie





Vor der Beschäftigung mit den Biogasanlagen, die Lebensmittelabfälle verarbeiten, kann mit den Kindern über Vor- und Nachteile von NawaRo-Biogasanlagen gesprochen werden. Die Kinder bringen oft von sich aus das Argument, dass man doch den Mais essen könne, dass es Menschen gebe, die nicht genug zu essen haben.

Anknüpfend daran können zwei Gründe herausgestellt werden, die für Abfallbiogasanlagen sprechen:
  • Maisanlagen verbrauchen wertvollen Ackerboden, belasten Boden, Grundwasser und Biodiversität durch Pestizideinsatz und Düngung.
  • In entwickelten Gesellschaften fallen erhebliche Mengen an nicht verwerteten oder nicht zum Genuß geeigneten Lebensmitteln an.
Das Foto zeigt ein Beispiel dazu: Kartoffeln noch in der Verkaufspackung, die aussortiert wurden, weil der Ackerboden mit Schadstoffen belastet war oder weil man in den Kartoffeln Pestizidrückstände über dem Grenzwert gefunden hatte.


Bildquelle: Privat




Kartoffeln für Biogasanlage





Zusammenfassend kann den Kindern an vier Piktogrammen nochmal deutlich gemacht werden, welche Typen von Biogasanlagen sich nach dem Substrat/dem verarbeiteten Material unterscheiden lassen.

Der Misthaufen steht für Gülleanlagen. Er kann auch für Energie-Toiletten stehen. Biogasanlagen, die mit Tiergülle arbeiten, stellen den ältesten Typus von Biogasanlagen dar. Sie kamen in den 90er Jahren auf den Markt.

Die Ziege vertritt Anlagen, die mit NawaRos arbeiten, die nicht für den Verzehr geeignet sind - Gräser, Sträucher, Stroh, Laub u.ä..

Die Kuh repräsentiert Maisanlagen.

Das Schwein schließlich weist auf Anlagen hin, die Küchen- und Lebensmittelabfälle verwerten.


Bildquellen: Internet


Typisierung von
                  Biogasanlagen





In den meisten Städten gibt es inzwischen Photovoltaik-Anlagen auf öffentlichen Gebäuden, Bürgeranlagen und dergleichen. Das lässt sich gut nutzen, um den Kindern einen Einstieg in das Thema anzubieten. Je nach Publikum kennen manche Kinder das Thema auch aus dem unmittelbaren eigenen Erfahrungsbereich, der Photovoltaik-Anlage auf dem Dach des Elternhauses. Häufig haben Schulen eigene Anlagen

Mit einer Solarzelle, die einen kleinen Ventilator antreibt, und einer Schreibtischlampe mache ich deutlich, dass "Photovoltaik" wörtlich zu nehmen ist, es geht um Licht, das nicht unbedingt von der Sonne stammen muss. Die Zellen lassen sich auch mit Kunstlicht anregen - hier kann über Energieverlust gesprochen werden, darüber, dass kein "Perpetuum mobile" möglich ist, kein geschlossener Kreislauf in dem Sinne, dass die Solarzellen die Lampe betreiben die ihrerseites über die Zellen ihren Strom selbst produziert.


Bildquelle: Energie- und Wasserversorgung Bruchsal - Photovoltaik-Anlage auf dem Dach des Justus-Knecht-Gymnasiums Bruchsal


Photovoltaik auf
                  Schulgebäude





Eine interessante, allerdings baulich noch nicht dauerhaft realisierte Idee der Nutzung von Sonnenenergie sind Aufwindkraftwerke, die nach dem Prinzip der aufsteigenden Wärme arbeiten mit Luft, die unter riesigen Glasflächen erhitzt wird. Die aufsteigende Luft treibt Turbinen an, die Strom erzeugen.

Die Abbildung zeigt die erste großtechnische Anlage nach diesem Prinzip, in der Region La Mancha - wo Don Quichotte lebte und gegen die Windmühlen kämpfte. Eine Region also, die mit der Nutzung regenerativer Energien schon seit Jahrhunderten vertraut ist. Die Anlage wurde von dem Stuttgarter Ingenieur Jörg Schlaich als Versuchsanlage konzipiert und startete 1982 nach einem Jahr Bauzeit, unterstützt vom Bundesforschungsministerium. Kaminhöhe 194 Meter, Durchmesser 10 Meter, Kollektorfläche 4,5 Hektar, Turbinenleistung 50 kW. Sie produzierte über mehrere Jahre effektiv Strom, ehe 1989 ein mehrtägiger Sturm den Kamin knickte. Kommerzielle Projekte wurden bislang in großer Zahl geplant, jedoch noch nicht realisiert.

Eine informative Versuchsanlage zu dieser Technik ist ein schwarzer, vertikaler Zylinder mit aufgesetztem horizontalem Windrad, den man in die Sonne stellt - sofern sie scheint. Das Windrad wird dann vom Aufwind betrieben. Das kennen die Kinder vielleicht von den bekannten Weihnachtsdekorationen aus dem Erzgebirge, die mit Kerzenwärme arbeiten. Mit einem Infrarottermometer kann auch anschaulich demonstriert werden, wie die Temperatur in der Röhre bei Sonnenbestrahlung steigt. Dazu einen Punkt auf der Innenseite der Röhre markieren, auf den der Messtrahl gerichtet werden soll. Die Kinder können die Messungen selbst durchführen und aufnotieren - etwa auf einer Tafel/einem Whiteboard.


Bildquelle: Baunetz Wissen Solar/Schlaich Bergemann und Partner, Stuttgart - Aufwindkraftwerk bei Manzanares/Spanien




Aufwindkraftwerk Manzanares





Spanien und La Mancha - das verbinden Ältere auch mit Don Quichotte/Don Quijote. Bei Kindern ist diese Figur jedoch kaum mehr vertraut. Also nicht überrascht sein, wenn die Kinder nicht "Ah" rufen. Dennoch halte ich es für einen guten Einstieg in das Thema Windenergie bei Kindern. Immerhin wählten 2002 einhundert Schriftsteller unter der Federführung des Osloer Nobelinstituts die Geschichte des Ritters von der traurigen Gestalt und seines Knappen Sancho Panza zum besten Buch der Welt. Es schadet also nicht, Kinder mit dieser Figur bekannt zu machen.

Als Don Quichotte die Windmühlen für Riesen gehalten und mit ihnen "gekämpft" hatte, meinte sein Getreuer Sancho Panzo, nur der könne Windmühlen als Riesen ansehen, "der selbst Windmühlen im Kopf habe".


Bildquelle: Internet - Bühnenansicht einer Freiluftaufführung des Don Quichotte




Don Quichotte und die
                  Windmühlen





Noch heute sind einige der einst existenzwichtigen Windmühlen der Mancha erhalten - als touristische Attraktionen und zur Bewahrung der Geschichte. Ohne den Roman von Don Quichotte wären sicherlich weniger Windmühlen in Spanien so aufwendig restauriert worden.

Die spanischen Windmühlen dienten als Getreidemühlen und Grundwasserpumpen. Sie geben einen wichtigen Hinweis darauf, dass Spanien einst weniger trocken war als heute, dass riesige Getreidefelder die Menschen versorgten und das Grundwasser näher an der Oberfläche lag als heute. Einige Mühlen in Meeresnähe wurden offensichtlich auch dazu genutzt, Meerwasser auf Salinenfelder zu pumpen, um Salz zu gewinnen.

Diese Mühlen konnten mit der langen Stange, die auf der vorderen Mühle links erkennbar ist, in den Wind gedreht werden (manuelle Windnachführung).

Zum Kontrast kann auf die holländischen Windmühlen verwiesen werden, die vor allem als Wasserpumpen an Kanälen eingesetzt wurden, zur Entwässerung der flachen Landschaft.

Die ersten Windmühlen wurden nach bisherigem Wissensstand im 7. Jahrhundert nach Christus im heutigen Grenzgebiet Iran-Afghanistan gebaut. In China wurden ab Beginn des 2. Jahrtausends n. Chr. Windmühlen zur Bewässerung von Reisfeldern eingesetzt. Die ersten europäischen Windmühlen entstanden im 12. Jahrhundert n. Chr. und waren "Horizontale Mühlen", das Windrad lag waagrecht/horizontal.


Bildquelle: Internet - Windmühlen von Consuegra auf dem Calderico-Hügel




Windmühlen in Spanien





Wir kennen sie aus Westernfilmen, die charakteristischen Wasserpumpen der nordamerikanischen Pionierzeit, die mit Windkraft angetrieben wurden. Entwickelt wurde die heute bekannte "Westernmill" 1854 durch Daniel Halladay. Später diente dieser Mühlentypus auch zur Stromerzeugung.

Die Mühlenflügel drehten sich mit dem Wind durch den Flügel, die Windfahne, die rechts am Flügelrad zu sehen ist. Dieser Anlagentypus zeigt äußerst prägnant die spezifischen Stärken der Windkraftnutzung: Sie ist etwas für Pioniere, für isolierte Einzellagen. Sie ist, mit unterschiedlicher Effizienz, fast überall möglich - wenngleich nicht rund um die Uhr. Windkraft kann vielfältig eingesetzt werden, für eine Wasserpumpe, zur Verrichtung anderer mechanischer Arbeiten, zur Stromerzeugung.

Hier ist für Kinder der Bezug zu selbstgebastelten oder gekauften einfachen Pusterädern unmittelbar erfahrbar. Darüber hinaus lernen sie die Beachtung und Lösung zweier paradigmatischer Probleme für Windräder: Die Ausrichtung zum Wind für optimale Effizienz - und die Ausrichtung bei Sturm. Beides wurde an den Westernmills sehr einfach gelöst mit Positionierungsflügeln.


Bildquelle: Internet - Westernmill-Wasserpumpe




Westernmill





In Deutschland spielt die Windkraft aktuell für die Energiewende eine sehr bedeutende Rolle. Das liegt zum einen daran, dass die Windkraftnutzung zur Stromerzeugung ökonomisch weit interessanter ist als die Nutzung von Biomaterialien, Wasserkraft und Photovoltaik. Ökologisch fallen Windkraftanlagen gegenüber der Photovoltaik zurück, sie sind aber grundsätzlich weniger problematisch für die Umwelt als Biogasanlagen oder Wasserkraftwerke.

Dass die Windkraft dennoch in Deutschland hoch umstritten ist in der Öffentlichkeit liegt an zwei Faktoren. Zum einen hat sich der Windkraft sehr rasch eine Lobby zugewandt, die enorme Verdienstspannen ausmachte. Um die Klimaschutzziele der Regierung umzusetzen wurde die einschlägige Industrie massiv unterstützt und es entstanden zügig großflächige Anlagen, die ganze Landschaften in Norddeutschland bestimmen - wo es den Bedarf für den produzierten Strom nicht gab. Also mussten Stromtrassen in den Süden gebaut werden, die weiter die Öffentlichkeit gegen die Windkraft aufbrachten. Zudem bringen die großflächigen Anlagen auch erhebliche ökologische Probleme, insbesondere für Vögel. Der zweite Faktor ist eher emotionaler Art. Für viele Bürgerinnen und Bürger sind Windkraftanlagen eine ästhetische Belastung, sie sehen Landschaften oft schon durch einen Windflügel zerstört oder zumindest erheblich gestört. Häufig wird auch auf die Konkurrenz zu Kirchtürmen hingewiesen, um insbesondere in den katholisch geprägten Regionen Windkraftanlagen zu verhindern. Die Stichwortverbindung "Windkraft Kirchturm" bringt aufschlussreiche Ergebnisse bei Internet-Suchmaschinen.

Mit Kindern können diese Probleme durchaus bereits besprochen werden. Häufig kennen sie die Debatten bereits aus ihrem Lebensumfeld. Da sie in der Regel unbefangener an das Thema herangehen, kann es auch zu interessanten Vergleichen mit Hochspannungsmasten kommen ("die finde ich toller, da kann man doch hochklettern!" - "das ist doch verboten!" - "in einem Windrad ist auch eine Treppe!" - "da kann man aber nicht rausgucken!" - usw.). So können auch die Themen Windkraftanlagen und Stromtransport verbunden werden.


Bildquelle: Internet




Windkraftanlagen bei
                  bayrischem Dorf





Die Nutzung der Wasserkraft für die Unterstützung menschlicher Arbeit war historisch von größter Bedeutung - bis zur Erfindung der Dampfmaschinen. Davon geben noch heute verbliebene Getreidemühlen oder Sägemühlen an Bachläufen Zeugnis. Auch wasserkraftbetriebene Schöpfräder können vereinzelt noch bewundert werden. Vor allem aber ist es das Gedächtnis der Namen, das uns die Erinnerung an die Frühzeit der erneuerbaren Energien bewahrt.

Der Familienname "Müller" verweist in der Regel auf einen ursprünglichen Namensgeber mit einer Wassermühle. Landschafts- und Gewannnamen wie "Mühlviertel" oder "Obermühlteich" verweisen uns auf alte Wassermühlenstandorte ebenso wie einschlägige Straßennamen: Mühlweg, Mühlgasse, Mühlstraße. Bei "Mühlberg" steckt allerdings in der Regel eine Windmühle hinter der Namensgeschichte.

Der Bau kleiner Wasserräder gehörte einmal zur üblichen Kindheitserfahrung aus dem Lebensumfeld. Heute müssen Erlebnisspielplatz, Kindergarten, Schule, Urlaub auf dem Bauernhof ersatzweise einspringen. Oder eben ein Aktionstag für Kinder zu erneuerbaren Energien. Im Blick auf Großkraftwerke zur Stromerzeugung muss natürlich auch das Thema "Fischtreppen" angesprochen werden, das viel Stoff bietet: Was passiert mit Fischen in den Turbinen? Welche Hindernisse können Fische überspringen? Woher wissen die Fische, wo die Fischtreppe ist? Fischbestandserfassung an Fischtreppen.


Bildquelle: Stadtwiki Karlsruhe/Ryukia - Untere Mühle Weingarten




Wassermühle
                  Weingarten/Baden





Island verdankt einen Teil seines Wohlstandes der Geothermie. Die Insel liegt auf dem mittelozeanischen Rücken, heiße Gesteinsschichten liegen näher an der Erdoberfläche als bei uns. Fast überall auf der Insel tritt heißes Wasser auch offen aus, die Geysire sind ein bekanntes isländisches Naturschauspiel. Ähnlich geothermisch privilegiert sind einige Thermalbadregionen, etwa Larderello in der Toskana. Dort wurde 1904 das erste geothermische Kraftwerk zur Stromerzeugung weltweit gebaut.

Wo die Erdwärme erst aus der Erde geholt werden muss, unterscheidet man zwischen tiefer und oberflächennaher Geothermie. Die oberflächennahe (< 400 Meter) arbeitet über Wärmetauscher, die auch mit geringen Temperaturdifferenzen zwischen der Luft über der Erdoberfläche und dem Erdboden effektiv arbeiten können. Sie wird in der Regel zu Heizzwecken eingesetzt. In 12 Meter Tiefe herrscht das ganze Jahr über eine Temperatur von ca. 10 Grad. Die tiefe Geothermie geht 2000 Meter und tiefer in die Erde und erschließt dort entweder heiße Wasservorräte oder heiße Gesteinsschichten, in die man Wasser pumpt, das dort erwärmt (Hot Dry Rock Technologie) und wieder nach oben befördert wird/steigt, wo es seine Wärme in Heizwerken oder Kraftwerken abgibt.

Bei verschiedenen tiefengeothermischen Projekten zur Stromerzeugung kam es nicht zu wirtschaftlich sinnvollen Ergebnissen, so in Bad Urach, dem ältesten Projekt, 1977 gestartet, aber auch in Bruchsal (s. Foto), wo ein Projekt 1983 initiiert wurde. 2003, drei Jahre nach der Verabschiedung des EEG, wurde erstmals in Deutschland geothermisch Strom produziert, im Heizkraftwerk Neustadt-Glewe bei Schwerin. In Landau wurde 2003 ein weiteres Kraftwerk mit einer Studie begründet. Es ist in Dauerbetrieb seit 2008, wurde 2009 wegen leichter Erdbeben auf geringere Leistung zurückgefahren und 2014 nach Bodenhebungen vorübergehend stillgelegt. Die aktuell ans Stromnetz angeschlossenen 9 deutschen Kraftwerke haben zusammen eine installierte Leistung von 37,69 MW - die tatsächliche Ausbeute liegt allerdings weit unter dieser Leistung. 6 weitere Heizkraftwerke haben zusätzliche 4,3 MW elektrische Leistung installiert. Zum Vergleich: In Larderello/Toskana alleine sind 750 MW installiert.

Auch die oberflächennahe Geothermie birgt Risiken. 2008 kam es in Staufen/Breisgau im Gefolge von Bohrungen bis in 140 Meter Tiefe zur Rathausbeheizung in der ganzen Innenstadt zu Gebäudeschäden durch Bodenhebung. Die Hebung konnte durch Sanierungsmaßnahmen reduziert werden, hält allerdings auch aktuell, 2016, noch an. Ursache ist Grundwasseraufstieg in den Bohrlöchern, der bislang noch nicht vollständig gestoppt werden konnte.

Die massiven Eingriffe in den Untergrund schaffen offenkundig schwer kalkulierbare und kontrollierbare Risiken, die in dichtbesiedelten Regionen inzwischen regelmäßig zu Bürgerprotesten führen. Erbeben, Dampfaustritte aus dem Boden, Bodensenkungen, Bodenhebungen werden beobachtet. Befürchtet werden auch erhöhter Radonaustritt und Trinkwasserbelastungen.

Kindern kann das Thema etwa durch Thermalbäder in ihrem Umfeld nahe gebracht werden. Ein schlichter Versuch zu geothermischen Effekten, der allerdings nur im Winter bei Frost gut funktioniert, ist ein wassergefüllter 10-Meter-Schlauch mit zwischengeschalteter solar betriebener Pumpe, dessen größter Teil zwei Meter tief in der Erde vergraben ist. Ein Vergleich der Umgebungstemperatur mit der Schlauchtemperatur ist erhellend. Natürlich muss die ganze Anlage im Schatten liegen - mit Ausnahme der Solarzelle. Diese Anlage vermittelt auch einen ersten Eindruck in die Problematik von Geothermieanlagen: sie haben einen hohen Eigenverbrauch an Energie für die Pumpleistung und den Wärmetauscher.


Bildquelle: Eigenes Foto - Geothemieanlage Bruchsal




Geothermie





Dampfmaschinen üben eine enorme Faszination aus, geben sie doch eine Ahnung davon, was den Beginn des Industriezeitalters ausmacht. Sie stehen nicht nur an der Schwelle zum Industriezeitalter, sie markieren auch die Auseinandersetzung zwischen erneuerbaren und fossilen Energien. Zu Beginn wurden sie mit Holz betrieben, einem erneuerbaren Energieträger, der jedoch u.a. durch die Dampfmaschinen in eine erhebliche Krise geriet. Zügig übernahm dann die fossile Kohle den Part des Energielieferanten, zumal für die Hochdruckdampfmaschinen, die Züge voranbrachten.

Zur Entfaltung des Themas "Erneuerbare Energien" können Dampfmaschinen den Übergang von einer Energieform in eine andere demonstrieren, die grundsätzliche Transformierbarkeit von Energien. Zugleich vermitteln sie auch ein prägnantes Bild davon, welcher Energieverlust mit den Transformationen verbunden ist. Interessant sind Dampfmaschinen auch im Einsatz zur Geothermienutzung. Denn letztlich sind die Antriebsmaschinen für die Generatoren in geothermischen Kraftwerken mit "nachhaltigem" Dampf arbeitende Modelle des uralten Maschinenmodells.

Kinder mögen Demonstrationen mit Dampfmaschinen. Allerdings müssen besondere Sicherheitsvorkehrungen erfüllt sein. Vor allem dürfen die Beteiligten nicht zu nahe an die Maschine kommen, austretender Dampf und heiße Maschinenteile sind Gefahrenquellen. Auch sollte das Gerät fest auf einer feuersicheren Unterlage montiert sein.


Bildquelle: Deutsches Museum München - Wasserpumpen-Dampfmaschine von 1788




Dampfmaschine von 1788










THEMENBEREICH "NACHHALTIGKEIT"  

Das Material stammt überwiegend aus meinen Seminaren zum Nachhaltigkeitsdiskurs am Zentrum für Angewandte Kulturwissenschaften der Universität Karlsruhe/KIT.

Ein ausführliches Literaturverzeichnis finden Sie hier.


 


Die "Erfindung" der Nachhaltigkeit im Spätbarock

Das Nachhaltigkeitskonzept basiert auf forstökonomischen Überlegungen der ausgehenden Barockzeit.

Bereits in der Kursächsischen Forstordnung von 1560 ist zu lesen "(...) daß den Untertanen und Bergwerken, soviel möglichen und die Gehölze ertragen können, eine währende Hilfe, auch eine unseren Ämtern eine vor und vor bleibende und beharrliche Nutzung bleiben möge."

Und in der Reichenhaller Forstordnung von 1661 finden wir mehr als 50 Jahre vor der Publikation "Sylvicultura oeconomica" des Hans Carl von Carlowitz diese bemerkenswerte Ausführung: "Gott hat die Wäld(er) für den Salzquell erschaffen, auf dass sie ewig wie er kontinuieren mögen; also solle der Mensch es halten: ehe der alte (Wald) ausgehet, der junge bereits wieder zum Verhacken herangewachsen ist."

Hier ist schon vorgeprägt, was dem Nachhaltigkeitsdiskurs bis heute - je nach Diskursverortung positiv oder negativ konnotiert - anhaftet: seine enge Verbindung mit der Ökonomie. Den Reichenhallern ging es um Salzgewinnung. Dafür war Holz existentiell notwendig, zum Bau der Bergwerke und Sudhäuser ebenso wie zum Sieden des Salzes. Dass dafür Gott bemüht wird, der die Beziehung von Salzgewinnung und Holzeinschlag gleichsam menschenfreundlich prädisponiert habe, erinnert nicht von ungefähr an die aktuelle Verbindung religiöser Konzepte ("Bewahrung der Schöpfung") mit dem Nachhaltigkeitsdiskurs.

Deutlicher noch wird der Bezug des Nachhaltigkeitskonzeptes zur Ökonomie bei Hans Carl von Carlowitz in seiner "Sylvicultura oeconomica" von 1713. Der sächsische Oberberghauptmann propagierte den nachhaltigen Umgang mit den Forstressourcen als unabdingbar notwendige Voraussetzung für den Erhalt wirtschaftlicher Stabilität insgesamt. Die religiöse Rhetorik wird bei ihm erweitert um eine ästhetische Dimension, wenn er schwärmt, "(w)ie angenehm die grüne Farbe von denen Blättern sey". Seine Schrift bietet auch den ältesten erhaltenen Beleg zum Nachhaltigkeitsbegriff, mit der Formulierung "nachhaltende Nutzung" die bei Carlowitz parallel steht zu Formulierungen wie "immerwährende Holtz-Nutzung".

In der Barockzeit entstehen in Europa in großem Umfang Manufakturen und der Bergbau erlebt einen enormen Aufschwung. Zusammen mit dem Siedlungsbau, der (Neu-)Anlage großer Städte und Adelsresidenzen belastete dies die Wälder ganz erheblich mit Holzeinschlag. Der Bedarf für eine Optimierung der Forstwirtschaft war unübersehbar. Unterstützt wurde diese konzeptionell durch das barocke Naturverständnis, wonach Natur nur als menschlich verfügte und gestaltete Berechtigung habe. Die Naturkonzeption Spinozas, kernig gefasst im vielzitierten Diktum "deus sive natura", fügt sich dazu vorzüglich - sofern man sie gegen den Strich der gängigen ökologisierenden Deutungen bürstet. Für Ulrich Grober ("Die Entdeckung der Nachhaltigkeit", 2010) war Carlowitz über Ehrenfried Walter von Tschirnhaus vermutlich mit Spinoza vertraut.

Anschaulich illustriert der Stich des Hofgärtners Christian Thran von 1739 zur Stadtanlage Karlsruhe das barocke Naturverhältnis. Auch der umliegende Hardtwald ist einbezogen in die radiale Struktur der Stadt mit ihrem charakteristischen Fächer. Raum für Wildnis ist nicht vorgesehen, Natur ist nur als gezähmte akzeptiert. Das Bild zeigt die Sicht nach Norden. Ob diese Naturanschauung Spinozas Weltsicht tatsächlich entsprach, muss hier dahingestellt bleiben.


Lektüreempfehlung: Ulrich Grober, Die Entdeckung der Nachhaltigkeit, München 2010




Stadtansicht Karlsruhe 1739





Rheinbegradigung


Gerade einmal 31 Jahre nach dem oben gezeigten Stich wird in Karlsruhe, am 02. März 1770, Johann Gottfried Tulla geboren, der später als Bezwinger des Rheins gefeiert werden sollte. Vater und Großvater väterlicherseits waren Pfarrer in Nöttingen bzw. Nimburg. Tulla studierte an der Bergakademie in Freiberg (Sachsen) und an der École polytechnique in Paris.

Das Projekt Rheinbegradigung startete 1817 und wurde 1876 beendet. Es sollte nicht nur der Schiffahrt aufhelfen, sondern auch die Hygiene- und Gesundheitsverhältnissen am Rhein verbessern. Die Malaria unter anderem sollte bekämpft werden durch das Austrocknen der Brutgebiete für Anopheles. Zunächst geschah allerdings das Gegenteil. Die Rheinbegradigung führte zur großflächigen Versumpfung von Nebenarmen, was ideale Bedingungen für Mücken schuf. Danach sank der Grundwasserspiegel und nicht nur die flacheren Nebenarme, auch Obstanlagen und Äcker trockneten aus. Die Mückenplage blieb bis ins 20. Jahrhundert erhalten und die Malaria verschwand erst 1948 aus dem Oberrheingebiet. Im Deutschen Reich wurden die Kolonialsoldaten noch am Mittelrhein auf ihren Tropeneinsätze vorbereitet. Tulla selbst hat die Malariabekämpfung nie in den Vordergrund seiner Tätigkeit gestellt, sondern den Nutzen für Schiffahrt, Landwirtschaft und Siedlungswesen. Er starb kurz nach seinem 58. Geburtstag in Paris an der Malaria und wurde auf dem Cimetière de Montmartre begraben.

Kulturgeschichtlich hoch interessant und erhellend sind die Texte, die Tulla selbst zu seinem Unternehmen verfasst hat. Insbesondere seine Denkschrift von 1822, "Der Rhein von Basel bis Mannheim mit Begründung der Nothwendigkeit, diesen Strom zu regulieren", bietet einen Einblick in die Naturauffassung, die Tullas Projekt ideologisch stützte. Danach strebe die Natur selbst zu einem harmonisch ausgeglichenen, möglichst geradlinigen Verlauf und flachen Strukturen. Nur Hindernisse zwängen Flüsse dazu, in Windungen zu fließen. Der Ingenieur helfe also "der Natur", indem er Hindernisse beseitige.

Weitere Informationen zur Rheinbegradigung finden Sie auf der Startseite unter "Der Natur helfen auf ihrem Weg - die Rheinbegradigung durch Tulla".


Lektüreempfehlung: Johann Gottfried Tulla, Der Rhein von Basel bis Mannheim mit Begründung der Nothwendigkeit, diesen Strom zu regulieren. Denkschrift, Karlsruhe 1822




Rheinbegradigung 1844 2007





"Wilderness" und "National Heritage" - Landschaft als Identitätspol



Die Romantik in Deutschland brachte Bergbauassessoren hervor, die in literarischen Texten von Blauen Blumen träumten, die im Innern der Berge auf Entdeckung warten, wie Novalis. Einer ihrer letzten Lyriker, Joseph von Eichendorff, stammte aus einem Geschlecht von Grundbesitzern. Seine Mutter hatte den Familienwald zum Kahlschlag verkauft, um ihre Schulden zu bezahlen - der Sohn wurde zum Dichter der "Waldeinsamkeit".

Thomas Cole, 1801 in Bolton/Lancashire geboren, hatte zuhause in England Stoffdruck gelernt und emigrierte 1818 mit den Eltern in die USA. 1822 trat er in die Freimaurerloge "Amity Lodge No. 5" ein. Er arbeitet zeitweise in der Tapetenmanufaktur seines Vaters und bildete sich daneben zum Kunstmaler aus.  1825 entstand auf einer Reise durch die Catskill-Berge entlang des Hudson River ein Bild, das zu einer Ikone der Hudson River School wurde, "Lake With Dead Trees". 1828 malte er "Expulsion from the Garden of Eden".


Thomas Cole, Lake With Dead Trees, 1825





Nachhaltige Forstwirtschaft in den USA


Die nachhaltige Forstwirtschaft wurde im 19. Jahrhundert zu einem deutschen Exportgut durch die 1868 gegründete Königlich Preußische Forstakademie Hannoversch Münden und die 1880 gegründete Forstakademie Tharandt bei Dresden.

Entscheidend beteiligt an der Begründung des Forstwesens in den USA war zunächst ein deutscher Auswanderer ohne forstwirtschaftlichen Hintergrund, Carl Schurz (1829-1906), hierzulande vor allem bekannt als 1848er Revolutionär. Als Staatssekretär des Inneren (dem die Wälder bis 1905 unterstellt waren) unter Rutherford B. Hayes von 1877 bis 1881 hat er sich unter anderem um einen schonenden, langfristig orientierten Umgang mit den scheinbar unendlichen Waldvorräten seiner neuen Heimat bemüht. Von der ZEIT wurde er 2015 als "großer Transatlantiker" gefeiert.

Ein anderer deutscher Auswanderer, Bernhard Eduard Fernow, geboren 1851 in Hohensalza (heute Polen), hatte zuhause an der Forstakademie Hannoversch Münden studiert. 1876 heiratete er die Schwester eines amerikanischen Kommilitonen und übersiedelte in die USA, wo er 1886 bis 1898 Direktor der forstwirtschaftlichen Abteilung im Landwirtschaftsministerium war. Danach unterrichtete er Forstwirtschaft als Gründungsdekan der forstwissenschaftlichen Abteilung an der Universität Cornell, später als Dekan der Forstfakultät der Universität von Toronto, wo er 1923 starb. Er wandte sich entschieden gegen die in der amerikanischen Forstpraxis zu Beginn seiner Amtszeit dominierende Kahlschlagpraxis.

Eine weitere wichtige Persönlichkeit zur Einführung der nachhaltigen Forstwirtschaft in den USA war Giffort Pinchot aus Pennsylvania, Sproß einer Großgrundbesitzer- und Holzhändlerfamilie. Er ging 1889 zum Studium der Forstwirtschaft nach Europa, wo er Dietrich Brandis kennenlernte, Spezialist für tropische Forstwirtschaft. Der brachte ihn an die "Ecole nationale forestière" in Nancy und an die Forstakademie Tharandt. In der Schweiz lernte Pinchot den Sihlwald bei Zürich und dessen Förster, Ulrich Meister, kennen. Zurück in den USA propagierte er als "Chief of the Division of Forestry" im Innenministerium den "wise use" der Wälder. Ab 1905 leitete er den "Forest Service" im Landwirtschaftsministerium, der unter Theodore Roosevelt aus dem Zusammenschluss der alten Forstverwaltung des Innenministeriums und der forstwirtschaftlichen Abteilung des Landwirtschaftsmuseums gebildet wurde.


Lektüreempfehlung: United States Department of Agriculture, National Report on Sustainable Forests, 2010




National Report
                on Sustainable Forests 2010





Der Dust Bowl Schock


In den 30er Jahren erlebten die USA den Dust Bowl Schock, der die ungebremste Industrialisierung der Landwirtschaft erheblich in Frage stellte. Eine ungewöhnliche Trockenperiode hatte Teile der "Great Plains", nach der Rodung des Präriegrases mit seinem bindungsstarken Wurzelsystem zur Weizenkammer Amerikas geworden, verdorren lassen. Dazu kamen heftige Stürme, die in einer ausgeräumten Landschaft keinen Widerstand fanden und ungehindert die Erde abtrugen und gewaltige Staubstürme vor allem in den Jahren 1932 bis 1938 verursachten.

Die Katastrophe führte zur Massenauswanderung der Bauern und Landarbeiter aus dieser Region, insbesondere auf der Route 66 nach Westen, vor allem Kalifornien (zeitweise kamen dort etwa 7000 registrierte Flüchtlinge pro Monat an) - und dies zur Zeit einer allgemeinen Wirtschaftskrise seit August 1929 ("Great Depression"), mit zahllosen Arbeitslosen in den Städten und Wanderarbeitern. Etwa 15% der Einwohner Oklahomas verließen ihre Heimat, viele davon schon vor den Staubstürmen. Man nannte sie und dann die Flüchtlinge der Katastrophe allgemein "Okies". Davon erzählt etwa John Steinbeck in "The Grapes of Wrath" (publiziert 1939) nach dem Besuch eines Flüchtlingslagers in Kalifornien. Er nannte die Route 66 dort auch "Mother Road". Von den "Associated Farmers of California" wurde sein Buch als kommunistische Propaganda verunglimpft. Woody Guthrie brachte 1940 ein Album mit dem Titel "Dust Bowl Ballads" heraus, darunter der "Dust Bowl Blues" mit der Zeile "it turned my farm into a pile of sand". Zum Thema gibt es einige bemerkenswerte Youtube-Videos mit historischen Filmaufnahmen.

Franklin Roosevelt, 1932 als Kandidat der Demokratischen Partei zum 32. amerikanischen Präsidenten gewählt (Amtsantritt 04. März 1933), reagiert auf das Ereignis mit der Erhebung des Umweltschutzes in den Rang einer vordringlichen Regierungsaufgabe. Bereits 1933 richtete seine Regierung das "Civilian Conservation Corps" als wesentliches Element des "New Deal" ein, das 2,5 Millionen Arbeitsplätze schuf und für Umweltschutzaufgaben wie Baumpflanzungen eingesetzt wurde. 1936 legte das von ihm einberufene "Great Plains Drought Area Committee" seinen Bericht "The Future of the Great Plains" vor, worin die Staubstürme als menschenverursachte Katastrophe dargestellt werden: "an attempt to impose upon the region a system of agriculture to which the Plains are not adapted, to bring into a semi arid region methods which, on the whole, are suitable only for a humid region". Eine konkrete Konsequenz war die Anlage eines 100 Meilen breiten Grüngürtels von der Nord- bis zur Südgrenze der USA als Windschutz.

In Mecklenburg-Vorpommern kommt es seit 2011 vermehrt zu Sandstürmen mit erheblichen Verkehrsbehinderungen, teilweise auch Karambolagen. 2011 gab es auch in Sachsen-Anhalt Sandstürme - allerdings ohne spektakuläre Unfälle. Verursacher ist laut BUND die industrielle Landwirtschaft, unter anderem mit massiver Abholzung von Feldhecken zu DDR-Zeiten. Bauernverbände machen dagegen ungewöhnliche Trockenheiten dafür verantwortlich. Bereits 1999 war am Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung von Matthias Lüdeke und Fritz Reusswig eine Untersuchung zum "Dust-Bowl-Syndrom in Deutschland" vorgelegt worden - unabhängig von spezifischen Regionen und konkreten Ereignissen. Das Syndrom wurde dabei als "globales Muster nicht-nachhaltiger Agrarressourcenbewirtschaftung" verstanden. Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt fielen dabei zu verschiedenen Risikoindikatoren besonders auf.

Die Abbildung rechts zeigt eine Photographie von Arthur Rothstein von 1936, einen Farmer mit seinen beiden Söhnen im Cimarron County, Oklahoma.


Lektüreempfehlung:
Gottfried Zirnstein, Ökologie und Umwelt in der Geschichte, Marburg: Metropolis, 1994

Matthias Lüdeke/Fritz Reusswig, Das Dust-Bowl-Syndrom in Deutschland, Potsdam 1999




Arthur Rothstein, Farmer Cimarron County
                  Oklahoma, 1936






"Conservation movement" versus "Preservation movement"


Die Bewegung zur nachhaltigen Bewirtschaftung der amerikanischen Wälder entwickelte sich Anfang des 20. Jahrhunderts weiter im "Conservation movement", das unter Franklin Roosevelts Initiative den allgemeinen Umgang mit Naturressourcen in den Blick nahm. Parallel entwickelte sich aus der Nationalparkbewegung des 19. Jahrhunderts das "Preservation movement", das im Bereich der Forstwirtschaft vor allem in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts das Konzept der "wilderness" auch gegen "sustainable development" setzte oder zumindest als Ergänzung forderte.

Abbildung rechts: Ausschnitt aus einer Fotografie von Jim Tompson, 02.09.1940, Franklin Roosevelt bei der Einweihung des Great Smoky Mountains National Park.


Lektüreempfehlung: Oliver Reis. Nachhaltigkeit - Ethik - Theologie. Münster 2003




Franklin Rooselvelt, Eröffnung des Great Smoky
              Mountains National Park, 02.09.1940





Forstliche Nachhaltigkeit in der Sowjetunion

In der Sowjetunion der 30er und 40er Jahre wurde der Nachhaltigkeitsansatz in der Forstwirtschaft neu belebt gegen eine sozialistisch legitimierte Kahlschlagideologie, die nahtlos anknüpfen konnte an zaristische Gepflogenheiten, die vom Ausland (England, Frankreich, Deutschland) unterstützt worden waren, wobei Rohstoffbedarfe in diesen Ländern und einzelne kapitalkräftige Waldaufkäufer aus diesen Ländern eine fatale Allianz gebildet hatten mit bürgerlichen russischen Grundbesitzern und Adeligen. Aufschlussreich hierzu ist der Roman "Der russische Wald" (russisch 1953, dt. 1960) von Leonid Leonow.

Im Zentrum des Buches stehen der Nachhaltigkeitsapologet Iwan Matwejitsch Wichrow und der Funktionär Alexander Jakowlewitsch Grazianski. Wichrow weist beständig auf die vielfältigen ökologischen Funktionen des Waldes hin, warnt unter anderem auch vor "schädlicher Klimabeeinflussung" (S. 343) und "Klimaschädigungen" (S. 466) durch Kahlschlagpolitik im Wald. Grazianski hält dem die Ansprüche der sozialistischen Gesellschaft auf Entwicklung entgegen und führt Heraklit an, dem zufolge sich auch das Klima beständig wandle (S. 466f).

Neben Leonows Roman erlaubt vor allem die äußerst verdienstvolle Recherchearbeit von Douglas Weiner, veröffentlicht zuerst in "Models of Nature" von 1988, substantielle Einblicke in den Umgang mit dem Nachhaltigkeitskonzept in der frühen Sowjetunion. Wie allerdings der Titel "A Little Corner of Freedom" der 1999 erschienenen Fortsetzung dieser Arbeit zeigt, ist Weiners Blick nicht ganz frei von ideologischer Verengung. Umweltschutz und Nachhaltigkeit sind für ihn per se nicht vereinbar mit kommunistischer Ideologie. Wobei er allerdings zugesteht, dass vor Stalin die Situation eine andere gewesen sei. Dem stehen seine eigenen Materialien entgegen, die zeigen, dass selbst unter Stalin und insbesondere danach innerhalb der Staats- und Parteiführung der Schutz der Umwelt, insbesondere der Wälder, auch als originäre Aufgabe eines kommunistischen Systems angesehen wurde, zumindest in der Theorie, die auf den Forstwissenschaftler Georgij Fjodorowitsch Morosow zurückging. Weiner hat dafür und für die fortdauernde Existenz von Naturschutzorganisationen in der Sowjetunion keine abschließende Erklärung, führt allerdings die Vermutung an, "the persistence of various nature protection movements seems to indicate a certain lack of efficiency of Soviet rulers in the face of subjects determined to defend their autonomous selfhood" (1999, S. 3).

In den USA forcierte Theodore Roosevelt (Republikaner) im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts, gleichsam auf der anderen Seite der Ideologien, den Naturschutz ausdrücklich im allgemeinen Interesse gegen die Einzelinteressen von Großkonzernen - und damit gegen eine andere, die wirtschaftsliberale Ideologie. Franklin Roosevelt (Demokrat) setzte diese Arbeit dann unter anderen Vorzeichen in den 30er Jahren fort.

Weiners Untersuchungen wurden von Stephen Brain weitergeführt, der in "Song of the Forest" 2011 am Beispiel der Forstwirtschaft und der Naturschutzgebietsplanung und -organisation darlegt, wie das Sowjetsystem in sich selbst gespalten war in Fragen des Natur- und Umweltschutzes und wie Umweltschutz keineswegs nur in "Corners of Freedom" außerhalb des Systems möglich war. Brain beginnt seine Darstellung des Waldschutzes unter Stalin mit dem Satz "Dictators like trees" (Brain 2011, S. 115). Nicht nur Diktatoren, muss ergänzt werden, denn etwa zeitgleich mit Stalins Aufforstungsprogrammen startet Franklin Roosevelt das Programm eines Waldgürtels zum Schutz der Great Plains vor Winderosion, mit dem "Civilian Conservation Corps" als wesentlichem Element seines "New Deal" - der auch in anderen Bereichen gewisse Parallelen zu Projekten der Stalinzeit hatte, etwa im "Tennessee Valley Project".

Die Abbildung zeigt einen Ausschnitt aus einem Gemälde von Iwan Schischkin, Les pered grosoj/Wald vor dem Sturm, 1872.


Lektüreempfehlungen:

Douglas R. Weiner, Models of Nature. Ecology, Conservation and Cultural Revolution in Soviet Russia, Indiana University, 1988
.
Ders., A Little Corner of Freedom. Russian Nature Protection from Stalin to Gorbachëv, University of California Press, 1999

Stephen Brain, Song of the Forest. Russian Forestry and Stalinist Environmentalism 1905-1953, Pittsburgh 2011




Iwan Schischkin, Les pered grosoj, Wald vor dem
              Sturm, 1872 - Ausschnitt



Die drei Dimensionen von Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit wird heute im allgemeinen differenziert nach ökonomischer, ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit. Bereits bei Carlowitz finden sich die ökonomische und die soziale Dimension explizit. Die ökonomische Dimension liegt auf der Hand und wird vom Autor gleich zu Beginn seines Werkes klar formuliert, es geht um Holz für den Bergbau und für andere Wirtschaftsbereiche. Doch der Oberberghauptmann wollte auch sicherstellen, dass die Bürger seines Landes, auch die armen, ausreichen Brennholz für den Herd zur Verfügung haben. Wie weit wir dies nur rhetorisch oder auch substantiell sehen dürfen, ist aus der historischen Distanz kaum zu entscheiden. Die ökologische Dimension erscheint in religiöser Sprache und ästhetischen Bildern, etwa wenn Carlowitz ausführt, die Bäume seien mit der "innerlichen Form, Signatur, Constellation des Himmels" verbunden. Oder wenn er schwärmt: "Wie angenehm die grüne Farbe von denen Blättern sey, ist nicht zu sagen." Angesichts der Wirklichkeit in den Bergbaugebieten, mit intensiver Luftverschmutzung durch die Köhlereien, vergifteten Gewässern, belastet durch Arsen und Blei aus der Silbergewinnung, fällt es schwer, die Bedeutung dieses Naturpreises einzuschätzen.

Bereits in der ersten Auflage von "The Limits to Growth" von 1972 ist in der "Introduction" als zweite "conclusion" zu lesen, dass "ecological and economic stability" als "sustainable" machbar seien und dass ein daraus resultierendes "global equilibrium" die "needs of each person on earth" befriedigen könne. Dies wird ausgeführt im 5. Kapitel, "The State of Global Equilibrium". 1987 wurde im "Brundtland Report" der Begriff "Sustainable Development" differenziert ausgeführt im 2. Kapitel "Towards Sustainable Development". In der "Conclusion" heißt es: "In its broadest sense, the strategy for sustainable development aims to promote harmony among human beings and between humanity and nature". In den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde das Drei-Säulen-Modell in der Nachhaltigkeits-Debatte etabliert als verbindliche theoretische Bestimmung. Die genaue Herkunft ist unklar. Gelegentlich erscheint das Modell auch als "Nachhaltigkeitsdreieck".

Rolf Peter Sieferle ("Nachhaltigkeit in universalhistorischer Perspektive", 2003) untersuchte im Rahmen eines "ökologischen Konzeptes" verschiedene sozialmetabolische Systeme (basaler Metabolismus, Jäger und Sammler, Agrargesellschaften, Industrielle Transformationsgesellschaft) auf Nachhaltigkeit anhand vier verschiedener Kriterien: Energie, Materialien (Ressourcen, Deponien), Biodiversität und Bevölkerungsdynamik. Die aktuelle "industrielle Transformationsgesellschaft" sei danach strukturell nicht-nachhaltig.


Lektüreempfehlung: Wolf Dieter Grossmann u.a. (Hrsg.), Nachhaltigkeit. Bilanz und Ausblick, Frankfurt (Main) 1999




Carl von Carlowitz



"Schwache" und "starke Nachhaltigkeit"

Nachhaltigkeit im dreifachen Sinne wird auch als "starke Nachhaltigkeit" bezeichnet, insbesondere bei einer Priorisierung der ökologischen Dimension (das Modell rechts stammt von Molly Scott Cato 2009), im Unterschied zu einer "schwachen", die primär die ökonomische Dimension beachtet und die anderen lediglich in Überschneidungsbereichen verbunden sieht. Differenziert ausgearbeitet wurde das Konzept der starken Nachhaltigkeit zuerst von Herman Daly 1996 ("Beyond Growth").

Das schwache Modell von "sustainable development" wurde bereits in den 70er Jahren in Amerika entwickelt und geht davon aus, dass menschliche Produktion weitgehend Naturkapital angemessen (für den menschlichen Bedarf) ersetzen könne (Robert Solow, John Harwick). Konrad Ott nennt das Konzept der schwachen Nachhaltigkeit daher auch "Substitutionsparadigma" (Ott/Döring 2004, S. 138)

Gelegentlich begegnet auch die Identifizierung von schwacher Nachhaltigkeit mit "sustainable development" und starker Nachhaltigkeit mit "sustainability". Hier ist genau auf den jeweiligen Verwendungskontext zu achten. Der Brundtland-Bericht von 1987 etwa verwendet den Begriff des "sustainable development" eindeutig im Sinne einer starken Nachhaltigkeit.

Wie "stark" das Drei-Säulen-Modell indes wirklich sein kann, wird immer wieder mit guten Argumenten bestritten, gelegentlich auch mit spitzer Polemik. So nennen Konrad Ott und Ralf Döring das Modell in "Theorie und Praxis starker Nachhaltigkeit" den "große(n) 'Weichspüler' der Nachhaltigkeitsidee" (Ott/Döring 2004, S. 36).

Kathrin Hartmann bewertet in ihrem Buch "Aus kontrolliertem Raubbau" das Nachhaltigkeitskonzept als ökonomisch dominiertes strategisches Konzept zur Stabilisierung eines ungerechten Weltwirtschaftssystems. Sie kritisiert dabei insbesondere die Praxis von Nachhaltigkeitszertifikaten und die anhaltende soziale Ungerechtigkeit im Namen der Nachhaltigkeit - auch der "starken".



Starke und schwache
                Nachhaltigkeit


 


Das Greifswalder Modell starker Nachhaltigkeit

An der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald beschäftigt man sich am Institut für Botanik und Landschaftsökologie seit 1997 intensiv mit dem Nachhaltigkeitsthema - im Verbund mit den Nachbardisziplinen Landschaftsökonomie, Naturschutz und Umweltethik. Im Rahmen des entsprechenden Lehrangebotes bot der Philosoph Konrad Ott als Inhaber des Lehrstuhls für Umweltethik 1999 bis 2012 eine Vorlesung zum Themenbereich Nachhaltigkeit/Sustainability an.

Gemeinsam mit dem für nachhaltige Fischerei engagierten Ökonom Ralf Döring entwickelte Ott an der Universität Greifswald ein präzises Konzept der "starken Nachhaltigkeit", im Rückgriff vor allem auf Arbeiten des Ökonomen Herman Daly, dem prominenten Vertreter einer "steady state economy". Der Greifswalder Ansatz geht aus von der unhintergehbaren Forderung nach intra- und intergenerationeller Gerechtigkeit. Dieser soll entsprochen werden durch ein Konzept starker Nachhaltigkeit, ergänzt durch einen graduellen Sentientismus, der auch die Interessen anderer fühlender Lebewesen berücksichtigt. Dabei gilt die Prämisse, Naturkapital sei nicht angemessen durch Artefakten zu substituieren. Im Blick auf das von ihnen als unverbindlich kritisierten Drei-Säulen-Modell verbinden die Autoren mit ihrem Ansatz den Anspruch, ein "Gesamtkonzept von Nachhaltigkeit" zu entwickeln, "das dem Anliegen einer wirklichen Gleichrangigkeit aller Dimensionen gerecht zu werden vermag" (Ott/Döring 2004, S. 36f). "Pointiert gesagt: Nur durch theoretische Integration kann das Drei-Säulen-Modell vor seinen immanenten Degenerationspotenzialen geschützt werden." (Ebd., S. 37)

Drei Leitlinien prägen das Greifswalder Modell: Resilienz, Suffizienz, Effizienz. Resilienz meint hier die Krisenstabilität durch eine Bewahrung der in langen Evolutionsprozessen entstandenen natürlichen Vielfalt an Arten und ganz allgemein die Bewahrung natürlicher Ressourcen. Suffizienz fordert Bescheidenheit in Lebensstil und Ressourcenverbrauch, nachhaltigen Konsum und freiwilligen Verzicht - so soll z.B. eine nachhaltige Fischerei nicht primär durch Substitution des Wildfangs durch Zucht, sondern durch Bestandsmanagement und geringeren Konsum erreicht werden. Effizienz zielt auf Dematerialisierung, intelligenteren Materialeinsatz, Realisierung von Einsparpotentialen in der Ressourcennutzung. Unschwer lassen sich in diesen drei Leitlinien (Ott/Döring 2004, S. 338) Analogien zu den drei Dimensionen der gängigen Nachhaltigkeitsbestimmung erkennen.  

Das Bild rechts zeigt das Ergebnis zur Google Bildersuche "Starke Nachhaltigkeit" (Stand 02/2017). Unter anderem einen Rennwagen mit 1044 PS Elektromotor. Was auch zeigt, wie problematisch die Verwendung des Begriffs "Nachhaltigkeit" inzwischen geworden ist.


Lektüreempfehlung: Konrad Ott/Ralf Döring, Theorie und Praxis starker Nachhaltigkeit, Marburg: Metropolis, 2004




Google Bildersuche Starke Nachhaltigkeit



Ecological Footprint

Das Konzept des "Ecological Footprint" wurde 1990-1994 von Mathis Wackernagel als Doktorand (im Fachbereich Stadt- und Regionalplanung) bei William/Bill Rees an der University of British Columbia in Vancouver entwickelt. Das Konzept formuliert ein anschauliches Modell zur Erfassung des "human impact on earth". Mit einem explizit reduktionistischen Ansatz, der sich an der Flächenorganisation von Stadt- und Regionalplanung orientiert, wird jeder menschliche Eingriff in die Biosphäre der Erde in Flächenbeanspruchung, einen "Fußabdruck", umgerechnet. Dabei ergibt sich in der Summe, dass die Menschheit eine Fläche zur Befriedigung ihrer Ansprüche benötigt, die das 2,7-fache der bioproduktiven Erdflächen beträgt (Berechnung des Footprintnetwork 2012). Wackernagel selbst bezeichnet Fläche dabei als "Währung" (Wackernagel/Beyers 2010, S. 19).

Der ökologische Fußabdruck gibt damit, so die Überzeugung seiner Sachwalter (Global Footprint Network, WWF, Center for Sustainable Economy), ein geeignetes Maß an zur quantitativen Erfassung von Nachhaltigkeit bzw. Nicht-Nachhaltigkeit. Wesentliche Parameter, die in die Flächenbedarfsberechnung einfließen, sind Ernährung, Wohnung, Mobilität/Verkehr, Kleidung und Abfall. Der WWF hat den anthropogenen CO2-Ausstoß in das Modell eingerechnet als Flächenbedarf für Wald, um diesen Ausstoß zu binden. Ergänzt wird die Berechnung des Fußabdrucks durch die Berechnung der Biokapazität, die ein Maß abgibt für die Leistungsfähigkeit von Flächen und Ökosystemen. Aus der Verrechnung der beiden Werte miteinander ergibt sich die Aussage, wieviele Planeten unser Lebensstil oder der Lebensstil eines einzelnen Landes nach den Annahmen des Modells zur Sicherung benötigt. Verrechnungsgröße ist dabei der "Global Hektar" (gha), der einem Hektar durchschnittlicher biologischer Produktivität weltweit entspricht.

Inzwischen wurde auch ein Wasser-Fußabdruck-Modell entwickelt, das nicht nur den direkten Wasserverbrauch durch Waschen, Putzen, Kochen und Toilette erfasst, sondern auch den indirekten, das verbrauchte "virtuelle" Wasser, das in den Produkten steckt, die wir konsumieren. Das Konzept des "virtuellen" Wassers leidet in besonderer Weise an der Schwierigkeit, qualitative Differenzen zu erfassen, die auch das Flächenkonzept problematisch macht. Es bedeutet eben einen erheblichen Unterschied, ob das Wasser, das für meine Tomaten "verbraucht" wird, Regenwasser ist oder aus einem Tiefbrunnen in semiaridem Gebiet kommt. Und es macht auch einen Unterschied, ob das Regenwasser dabei durch Pestizide belastet wird und wie es zur Grundwasserneubildung beiträgt. Entsprechend wird in differenzierten Darstellungen unterschieden in "grünes" (im Niederschlagskreislauf), "blaues" (Brunnen, Wasserleitung) und "graues" (verschmutztes) Wasser. Die Art der Verschmutzung und andere qualitative Momente sind aber auch hier nicht hinreichend repräsentiert.

Dass über qualitative Fragen intensiver nachgedacht wird, verdankt sich auch den Berechnungen nach dem Fußabdruck-Modell, die auf strukturelle Defizite in unserem Wirtschaften hinweisen und die Aufmerksamkeit schärfen. Umgekehrt wirken qualitative Nachfragen zurück auf das Modell und seine Berechnungsgrundlagen.

Allerdings geben die bislang entwickelten Formeln - und davon gibt es eine zunehmend unüberschaubare Fülle - zur Berechnung des ökologischen Fußabdrucks und des "Planetenbedarfs" noch kein wirklich zuverlässiges Bild unseres Ressourcengebrauchs und sie führen zu unterschiedlichen Rechenwerten für den Fußabdruck und den "Planetenbedarf".

Einige der erheblichsten Unsicherheitsfaktoren seien hier nur kurz beispielhaft genannt: Wie können die unterschiedlichen Produktionsweisen von Lebensmitteln angemessen erfasst werden angesichts der Bandbreiten konventioneller wie alternativer Anbauweisen? Anhand welcher Parameter und Entsorgungswege soll der Flächenverbrauch für die Abfallentsorgung und den CO2-Ausstoß erfasst werden? Darf zum "Planetenbedarf" eines Landes (Frage: Wieviele Planeten benötigen wir, würden alle Menschen weltweit den Lebensstil eines bestimmten Landes führen?) die Bioproduktivität dieses Landes zugrunde gelegt werden - oder muss es korrekt die der Welt insgesamt sein? Wieviel Fläche braucht Kohle? Wie produktiv ist die nicht-produktive Fläche? Wieviel Fläche benötigt Biodiversität?


Lektüreempfehlung: Mathis Wackernagel/Bert Beyers, Der Ecological Footprint. Die Welt neu vermessen, Europäische Verlagsanstalt, 2010




Daten zum ökologischen Fußabdruck





Die Rückkehr der Fläche


Der Umwelthistoriker Rolf Peter Sieferle hat zusammen mit drei CoautorInnen 2006 die bemerkenswerte Studie "Vom Ende der Fläche" veröffentlicht. Darin geht es um den "gesellschaftlichen Stoffwechsel der Industrialisierung". Die Industrialisierung habe, so lautet die zentrale Aussage des Buches, zu einem beispiellosen Bedeutungsverlust der Fläche geführt. Agrargesellschaften standen in einem festen Abhängigkeitsverhältnis zur verfügbaren Fläche. Diese konnte durch Rodungen oder Trockenlegungen vergrößert werden und bis zu einem gewissen Grad durch Bodenbearbeitung, Düngung, Pflanzenzüchtung und Fruchtfolge waren (und sind) ein entscheidender limitierender Faktor. Der Grenznutzen nahm mit den Ertragssteigerungen zudem rasant ab - Qualitätsverschlechterung der Produkte, Ausfall bei Ernte, Lagerung, Transport, Handel und Verbrauch, Verfall von Marktpreisen, Verlust der Betriebswirtschaftlichkeit.

Mit der Industrialisierung kam es zunächst auch im Landwirtschaftsbereich zu einer Grenznutzenausweitung, die allerdings inzwischen weitgehend zum Stillstand gekommen ist, teilweise gar ins Negative umschlägt (Unfruchtbarwerden von Ackerböden, Lebensmittelunverträglichkeiten wie Zöliakie etc.). Sieferle untersuchte als gemeinsame Größe zum Vergleich der verschiedenen sozialmetabolischen Systeme die Bereitstellung speicherfähiger Energie. Im Agrarsystem kann dies nur die Landwirtschaft leisten. Wasserenergie oder Windenergie für Mühlen ist lokal gebunden und nicht speicherfähig. Durch die Flächenbindung ist das Agrarsystem laut Sieferle per se nachhaltig. Eine Übernutzung würde zum unmittelbaren lokalen/regionalen Kollaps führen und damit zum Absterben der nicht nachhaltigen Nutzung.

Im Unterschied dazu wird in einem industriellen System der Kollaps in entlegene Regionen gleichsam "exportiert" oder in die Zukunft verschoben. Innerhalb des industriellen Systems (bei Sieferle auch als Transformationssystem von einem solarenergiebasierten System zu einem noch ungewissen) kommt es allerdings zunächst zu permanent ansteigendem Grenznutzen mit dem Zugriff auf fossile Ressourcen.

In den hochindustrialisierten Ländern geht der Grenznutzen inzwischen allerdings gegen Null, etwa mit Gütersättigung, die nur noch durch immer kürzere, scheinhafte Innovationszyklen (neue Modelle, neue Farben, neue Software - für die Brille eines renommierten Herstellers bekam ich unlängst nach zwei Jahren kein Ersatzteil mehr: Jedes Jahr gibt es andere Modelle) und Funktionsübernahmen (der Fernseher wird zum Computer, der Computer zum Fernseher, der Kühlschrank bestellt Waren, das Handy fotografiert, der Fotoapparat macht Bildbearbeitung etc. pp.) kompensiert werden kann. Damit verbunden steckt das Austauschsystem Geld in einer erheblichen Krise. Beides führt aktuell zu einem neuen Bedeutungsgewinn für Flächen. Erheblich verstärkt wird dies durch die Flächenbindung erneuerbarer Energien, die insbesondere bei Biomassekraftwerken enorm ist und um den Faktor 30 über dem von Windkraftanlagen liegt.

So spricht Sieferle von der "Rückkehr der Fläche" in der FAZ vom 30. Juli 2013 - mit der Prognose "Naturparks werden verschwinden". Ich selbst verwende das Schlagwort in einem Beitrag für das Debattenmagazin "Novo" im November 2013, wobei ich mich beziehe auf Phänomene wie Landgrabbing, Immobilienboom und Biomasseenergienutzung gleichermaßen.


Lektüreempfehlung: Rolf Peter Sieferle u.a., Das Ende der Fläche. Zum gesellschaftlichen Stoffwechsel der Industrialisierung, 2006




Maisacker bei Bruchsal, im
                Hintergrund Biogasanlage und AKW Philippsburg



Nachhaltigkeit und der Traum vom grünen Perpetuum mobile

In einem Interview mit Jens Wernicke, Journalist der NachDenkSeiten, kritisiert Kathrin Hartmann das "grüne Perpetuum mobile" der Nachhaltigkeit als Traum einer "konsumfreudigen Mittelschicht", die damit ihren Lebensstil weiter erhalten und zudem mit gutem Gewissen praktizieren könne.

Bemerkenswerterweise steht die "Erfindung" der Nachhaltigkeit am Ende der europäischen Blütezeit der Beschäftigung mit dem Perpetuum mobile in der Renaissance. Und diese fällt zusammen mit dem Übergang der Kapitalakkumulation zur Bodenakkumulation durch Anton Fugger, den letzten Fugger (1493-1560) der noch Vermögen machte (von dem die Nachkommen bis in die Gegenwart zehren). Natürlich können wir solche Beziehungen nicht 1:1 auf die Gegenwart übertragen, der Vergleich kann jedoch Einblicke eröffnen auf die Funktion vergleichbarer kultureller Konzepte in unterschiedlichen historischen Situationen.

Die Idee des Perpetuum mobile wird entfaltet in einer Zeit aufkommender naturwissenschaftlich-technischer Untersuchungen und Entwicklungen. Auch Leonardo da Vinci, der Flugmaschinen, Kanonen, Pumpen, Rudermaschinen und anderes technisches Gerät konzipierte, beschäftigte sich mit dem Perpetuum mobile, kam jedoch auch als einer der ersten zur festen Überzeugung, dass dieser Maschinentypus nicht realisierbar sei.

Im Bild des Perpetuum mobile konvergiert die ideologische Überhöhung des Nachhaltigkeitsdiskurses mit dem Diskurs der Erneuerbaren Energien, diese hier mit Bedacht groß geschrieben. Die erneuerbaren Energien scheinen das Versprechen einzulösen, das der Nachhaltigkeitsdiskurs auf eine Zukunft als verlässlicher Fortsetzung der Gegenwart abgibt.


Lektüreempfehlung: Eno Pertigen, Der Teufel in der Physik. Eine Kulturgeschichte des Perpetuum mobile, Berlin 1988




Perpetuum mobile 1580




Nachhaltigkeitsdiskurs stabilisiert ein ungerechtes Weltwirtschaftssystem

Eine äußerst kritische Sicht auf den Nachhaltigkeitsdiskurs präsentiert Kathrin Hartmann in ihrem Buch "Aus kontrolliertem Raubbau".

Für die Autorin gehört der Nachhaltigkeitsdiskurs zum "Greenwashing" des Kapitalismus, als Überbauphänomen. In einem Interview vom 29.10.2015 mit Jens Wernicke, Journalist der "NachDenkSeiten", führt sie aus: "Es geht nicht darum, die Ursachen von Armut, Hunger und Zerstörung zu ändern, sondern das per se schädliche System zu 'verbessern'." Letztlich benötige der Kapitalismus "Nachhaltigkeit" zur Krisenbewältigung und zur Durchsetzung geopolitscher Interessen. Das Konzept "Nachhaltigkeit" ermögliche neue Produkte und erhalte sowie erschließe Märkte - sorge also für weiteres Wachstum und stabilisiere den konsumorientierten Lebensstil der Mittelschicht wohlhabender Länder. Zudem beschaffe es Legitimation zur Interessendurchsetzung. Hartmann schlägt vor, im kritischen Diskurs das Konzept "Nachhaltigkeit" zu ersetzen durch "Gerechtigkeit": "'Nachhaltigkeit' ist ein anderes Wort für 'Systemerhalt'. Worum es stattdessen gehen muss, ist ökologische und soziale Gerechtigkeit." (Interview mit Jens Wernicke).

Mit Bezug auf Zygmunt Bauman ("Leben als Konsum") schreibt Hartmann in "Wir müssen leider draußen bleiben", 2012: "Essen und andere Dinge wegzuwerfen ist die Grundlage der Konsumgesellschaft: Nur wenn viel entsorgt wird, wird auch viel gekauft." (S. 45).

Die Autorin hat umfangreiche Recherchen unternommen, einschließlich aufwendiger Reisen zu Orten, an denen global relevante, zertifizierte Nachhaltigkeitsprojekte umgesetzt werden. Zahlreich sind die Belege, die Hartmann sammeln konnte und zur Stützung ihrer Position anführt. So nennt sie etwa das Beispiel der Aquakulturen, die zur Entlastung der Fischbestände im Meer beitragen sollen, deren Futter jedoch zu einem Großteil aus dem Fischfang stammt - etwa ein Drittel der gefangenen Meeresfische enden als Futter in Aquakulturen.

Ihr eigentliches Anliegen, der Einsatz für die betroffenen Armen vor Ort, entfaltet Hartmann am Beispiel Palmöl. Sie kritisiert vor allem dessen Einsatz für Biodiesel, der zur gewaltsamen Enteignung von Kleinbauern geführt habe und zur Vertreibung von Indigenen aus ihren Wäldern und von ihrem Land. Die Autorin ist der Meinung, dass wir mit der Nutzung von als nachhaltig angebaut zertifiziertem Palmöl nur nachträglich legitimieren, was an Zerstörung bereits geschehen ist. Hartmann war vor Ort, auf einschlägigen Plantagen und bei Kompensationsprojekten. Nichts davon konnte sie überzeugen, auch nicht der "Wald der Hoffnung", ein Projekt der deutschen Klimainitiative. "Indigene müssen sich zu Bäumchenpflanzern für Hungerlöhne 'zivilisieren' lassen und Kleinbauern werden als Holzdiebe kriminalisiert und verjagt."


Lektüreempfehlung: Kathrin Hartmann, Aus kontrolliertem Raubbau, Blessing Verlag 2015




Kathrin Hartmann, Raubbau